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0607 - U-Bahn ins Jenseits

0607 - U-Bahn ins Jenseits

Titel: 0607 - U-Bahn ins Jenseits
Autoren: Jason Dark
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gesehen«, sagte ich. »Sie standen am Ende eines Ganges, der die beiden Häuser verbindet. Wo befindet sich die Tür zu diesem Gang? Hier im Keller?«
    »Nein.«
    »Aber es muß sie geben.«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Es ist keine Tür, das können Sie mir glauben.«
    »Was dann?«
    »Es ist ein Vermächtnis, sein Vermächtnis. Er hat es mir hinterlassen.«
    »Kaifas oder…«
    »Ja, Kaifas.«
    »Und weiter?«
    Sie drehte den Kopf und schaute mich an. »Ich könnte es Ihnen zeigen, Mr. Sinclair.«
    »Hier?«
    »Natürlich.«
    Ich hatte nichts dagegen, und sie ging langsam vor. Carol Lindsey passierte die im Sack versteckte Leiche, ohne dem Gegenstand einen Blick zu gönnen. Ihr Ziel war ein Regal an der gegenüberliegenden Wand des Kellers.
    Auf und in ihm standen Schüsseln, lag altes Werkzeug, alles von einer Staubschicht bedeckt, aber auch ein ovaler Gegenstand mit einem handlichen Griff.
    Den nahm die Frau an sich, zögerte noch einen Moment und drehte sich herum. »Das ist sein Vermächtnis«, erklärte sie, hob den Arm mit dem Gegenstand an und drehte ihn so, daß wir gegen ihn schauen konnten.
    Es war ein Spiegel!
    Ja, ein Handspiegel, aber mit einer Fläche, die seltsamerweise unsere Gesichter nicht zurückwarf, denn sie sah aus wie graues Pulver, in dem hin und wieder Silberfäden schimmerten.
    »Sehen Sie ihn?«
    Ich nickte. »Natürlich. Nur frage ich mich, was der Spiegel zu bedeuten hat?«
    Da lachte sie. Und diesmal klang das Lachen anders, schön teuflisch. Uns wurde klar, daß vor uns eine völlig veränderte Person stand. Plötzlich hatte eine andere Kraft von ihr Besitz ergriffen. »Ein Spiegel, der Magie transportiert«, flüsterte sie. »In ihm stecken gewaltige Kräfte, die nicht jeder beherrschen kann.«
    »Sie denn?«
    »Und wie!«
    »Dann bitte.«
    Wieder lachte sie, während ich die Warnung meines Kreuzes spürte, als es sich erhitzte.
    Sie sprach einige Worte, die wir nicht verstanden, bewegte ihre freie linke Hand, hob den Arm an und krümmte ihn so, daß sie die Finger gegen die Spiegelfläche pressen konnte.
    Sie berührte sie zwar, aber nach dem Kontakt glitten die Finger in den Spiegel hinein.
    Und nicht nur sie. Bevor wir etwas dagegen unternehmen konnten, kippte die Frau nach vorn. Der Spiegel erweiterte sich innerhalb von Sekundenschnelle zu einem gewaltigen Gegenstand, der die Ausmaße einer Kellerwand annahm.
    In ihr verschwand Carol Lindsey!
    ***
    Wir hätten sicherlich etwas unternehmen können, aber wir waren zu langsam gewesen, denn mit dieser Wendung hatten wir beide nicht gerechnet. Die Frau hatte uns reingelegt.
    Noch war sie zu sehen. Der so groß gewordene Spiegel, der nichts anderes war als der Zugang zu einer fremden Dimension, hatte sie zwar geschluckt, aber nicht verschluckt.
    Sie »trieb« in der Fläche…
    Eine dunkle, klein gewordene Gestalt mit ausgebreiteten Armen und Beinen, die sie schwingend bewegte und sich dabei von uns immer weiter entfernte.
    Wohin?
    Die Frage stellte auch Suko, ohne von mir eine konkrete Antwort zu bekommen. Er versuchte es dann selbst, sie sich und mir zu geben. »Eine andere Welt, John. Möglicherweise die, die wir schon kennen. Du verstehst, nicht wahr?«
    »Klar.«
    »Man sollte den Versuch wagen.«
    Ich schaute ihn an. Sein Gesicht war ernst, als er die Schultern hob.
    »Oder etwa nicht?«
    »Okay, nur so können wir das Geheimnis lüften.«
    »Ist doch klar, John. Kaifas hat den Spiegel von unserem Freund Asmodis bekommen und ihn Carol überlassen. So gab es zwischen den beiden stets eine Kommunikation. Er ist praktisch ihr zweites Ich gewesen, von dem sie gesprochen hat.«
    »Und weiter?«
    »Wie meinst du?«
    »Ich habe an den Zug gedacht. Wie paßt er in deine Rechnung?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
    Wir hatten die große Fläche des ovalen Spiegels auch weiterhin unter Kontrolle gehalten und genau gesehen, wie er die Person verschluckte. Es sah so aus, als würden Wellen über seine Oberfläche fließen und sich die Körner dabei noch mehr zusammenziehen. Wie feiner Treibsand kam mir die Fläche vor. Ein Sand, der einfach alles verschluckte, auch die Person namens Carol Lindsey.
    Sie tauchte endgültig ein.
    Uns kam es so vor, als hätte sie den Kopf vorgebeugt, aber die Fläche wellte sich ihr entgegen und verschluckte sie.
    Dann sahen wir sie nicht mehr.
    Aber der Spiegel blieb. Er lockte uns. Ich spürte seine Ausstrahlung, wie unsichtbare Wellen, die meinen Kopf erreichten und in das Gehirn hineindrangen.
    Auf
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