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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob
Autoren: Marion Chesney
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treffen.«
    »Ich bezahle Sie, und ich bezahle
Sie gut«, sagte der Herzog eisig, »damit ich nicht mit solch unwichtigen
Fragen traktiert werde, ob meine Diener neuerdings radikale Ansichten vertreten
oder nicht. Dieses eine Mal werde ich mich selbst um die Angelegenheit
kümmern. Aber Sie werden morgen mit den Büchern vor mir erscheinen, die meine
anderen Besitzungen betreffen, und Sie werden dafür sorgen, dass die
Gutsverwalter erfahren, dass ich sie dieses Jahr aufsuchen will und erwarte, dass
die Böden einen guten Ertrag abwerfen und die Cottages der Pächter in gutem
Zustand sind.«
    Der Herzog stand auf, nahm seinen
Mantel und schritt aus dem Zimmer, ohne einen weiteren Blick auf Palmer zu
werfen.
    Dieser stöhnte laut auf. Er hatte
sämtliche Gutsverwalter angewiesen, kein Geld für so überflüssige Dinge wie
die Reparatur von Dächern und Fenstern zu verschwenden. Auf diese Weise ging er
sicher, dass er alljährlich von jedem Besitztum einen beträchtlichen Betrag
für sich abzweigen konnte, bevor er den Rest bei der Bank des Herzogs
einzahlte.
    Aber noch hatte er Zeit, seine
Spuren zu verwischen. Der Herzog hatte ihm geschrieben, er habe vor, den Rest
der Saison in London zu verbringen. Dann würde er wahrscheinlich dem
Prinzregenten nach Brighton folgen, wie die anderen Aristokraten auch.
    Den Dienern in der Clarges Street
Nummer 67 wurde es zum Verhängnis, dass der Tag, an dem der Herzog in der
Hauptstadt ankam, so strahlend schön war. Sie hatten immerzu auf ihn gewartet;
die Zimmer blitzten vor Sauberkeit, die Betten waren frisch bezogen, die
Livreen und Kleider gebürstet und gebügelt, ihr Benehmen steif und förmlich,
ihre Manieren so korrekt wie die der besten Diener von London. Aber als die
Tage vergingen und der Herzog nicht kam, langweilte sie die Warterei allmählich.
Der Morgen war sonnig und schön heraufgezogen. Der Rauchschleier, der
gewöhnlich über London hing, hatte sich aufgelöst. Eine warme Brise strich
durch die Straßen, und in dem Sonnenlicht, das in breiten Strahlen durch die
Lücken zwischen den hohen Gebäuden fiel, tanzten die Staubkörnchen.
    Sämtliche Fenster von Nummer 67
standen weit offen, damit die warme, frische Luft hereinströmen konnte. Palmer
wußte nicht, dass sich die Diener dem Ende ihrer Knechtschaft näherten. Eine
Saison nach der anderen hatten sie ihre Trinkgelder auf die hohe Kante gelegt
und gespart und gespart, bis sie genug beisammen hatten, um sich ein Gasthaus
kaufen zu können. Der einzige Grund dafür, dass sie immer noch Diener waren,
war die Ankunft des Herzogs. Sie hatten vor, ihn mit ihrem vollendeten Benehmen
zu beeindrucken, sein Vertrauen zu gewinnen und ihm dann zu sagen, wie schlecht
Palmer sie bezahlte; denn sie vermuteten richtig, dass Palmer den
Differenzbetrag zwischen ihren Hungerlöhnen und denen, die er ihnen angeblich
zahlte, in die eigene Tasche steckte. Sie meinten, dass ihnen der Herzog
wahrscheinlich nicht glauben würde, wenn sie ihm gleich bei seiner Ankunft
berichteten. Der Verwalter eines Herzogs war ein überaus mächtiger Mann, und
der Herzog würde Palmer vertrauen und sie beschuldigen zu lügen. Auf diese
Weise würden sie nie die Rache an Palmer üben können, nach der es sie verlangte.
    Weil Rainbird, der Butler, und
Joseph, der Lakai — obwohl unschuldig — in Ungnade von ihren früheren Herren
entlassen worden waren, hatte Palmer sie mit der Drohung, er werde ihren Ruf
ruinieren, wenn sie versuchen sollten, woanders als Diener zu arbeiten, an das
Haus in der Clarges Street binden können. Die übrigen waren aus Loyalität zu
ihrem Butler geblieben, und weil sie ebenfalls ohne gute Referenzen nicht
hoffen konnten, andere Arbeit zu finden. Jetzt spielte das alles keine Rolle
mehr. Die Freiheit lag am Ende dieser allerletzten Saison vor ihnen.
    Es war Joseph, der an diesem schönen
Tag all die Aufregung stiftete — der unbedarfte, blonde, etwas verweichlichte
Joseph. Er trug Schuhe, die ihm zwei Nummern zu klein waren — kleine Füße
wurden als vornehm angesehen —, und die Hitze des Tages hatte seine geplagten
Füße bereits anschwellen lassen. Sein Jabot, das brettsteif gestärkt war, stach
ihn am Kinn. »Der Herzog wird nicht kommen«, brummte er vor sich hin, und einer
der schönsten Tage des ganzen Jahres würde vergehen, während man im Haus vor
Hitze umkam.
    Außerdem war da dieses wunderbare
Boot.
    Angus, der Koch vom schottischen
Hochland, hatte ein herrliches Modell von Nelsons Flaggschiff
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