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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob
Autoren: Marion Chesney
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Gnaden.
Heraus womit?«
    »Ich möchte wissen, warum Sie versucht
haben, mich davon abzuhalten, in der Clarges Street zu wohnen. Was soll der Unsinn
mit den Gespenstern?«
    »Mylord, ich schwöre, es ist wahr«,
sagte Jonas Palmer und schlug sich mit der fetten Hand dahin, wo das Herz
sitzt.
    Der Herzog lehnte sich in seinem
Stuhl zurück und musterte den Verwalter von Kopf bis Fuß. Palmer war klein und
gedrungen, mit einem dicken, fleischigen, streitsüchtigen Gesicht. »Sie sehen
mir gar nicht wie einer aus, der überhaupt an irgend etwas Geistiges oder
Übernatürliches glaubt«, sagte der Herzog in kühlem Ton.
    »Man hat das Gespenst gesehen«,
sagte Palmer. »Schlimme Dinge sind seit dem Tod Ihres geliebten Pa —«
    »Des verstorbenen Herzogs von
Pelham, für Sie, mein sehr verehrter Herr«, verbesserte der Herzog scharf.
    »— seit dem Tod des verstorbenen
Herzogs von Pelham geschehen. Ein Mörder ist gefasst worden, ein Mädchen umgebracht
und —«
    »Und alles, weil Sie in der Wahl der
Mieter beispiellos nachlässig vorgegangen sind. Wenn dort schlimme Dinge
geschehen sind, dann nicht, weil das Haus verflucht ist, sondern weil die
Leute, denen Sie erlaubt haben, es zu bewohnen, lockere Sitten hatten. Ich will
jetzt nichts mehr von dem Unsinn hören. Zeigen Sie mir die Bücher.«
    »Ich habe sie hier, Euer Gnaden«,
sagte Palmer.
    Der Herzog zog sein Monokel hervor
und begann die Wirtschaftsbücher Seite für Seite durchzugehen. »Ich sehe hier,
dass Sie das Haus für achtzig Pfund pro Saison vermietet haben. Das erscheint
mir sehr eigenartig, Mann, Sie hätten tausend verlangen können!«
    »Wenn Sie sich umhören, dann werden
Sie feststellen, dass nicht nur ich das Haus für verflucht halte«, sagte
Palmer. »Ich konnte niemanden dazu bringen, es für mehr zu nehmen. Ich schwöre
Ihnen, dass ich Ihnen treu und gut gedient habe —«
    »Genug. Diener — lassen Sie mich sehen.
Sie werden bestimmt nicht gut bezahlt.«
    »Gut genug«, erwiderte Palmer. »Sie
arbeiten ja sozusagen nur während der Saison.« Er fragte sich, was der Herzog
wohl sagen würde, wenn er wüsste, wie wenig die Diener in Wirklichkeit bekamen
und dass dieses wenige in den eigentlichen Büchern verzeichnet war, nicht in
den frisierten, die er gerade prüfte. Denn Palmer selbst steckte die Differenz
zwischen den wirklichen und den angeblichen Löhnen der Diener in die Tasche.
»Sie haben keinen Grund, sich zu beklagen«, fügte er hinzu und überlegte dabei,
dass es die Diener nicht wagen würden zu plaudern; denn andernfalls würde er
die nicht ganz einwandfreie Vergangenheit des Butlers und des Lakaien enthüllen
und dafür sorgen, dass auch die übrigen keine Stellung mehr bekamen.
    »Nun, ich nehme an, ich brauche mir
über das Haus nicht allzu viele Gedanken zu machen«, sagte der Herzog und
schloss endlich die Bücher. »Ich werde es verkaufen, sobald das Haus am
Grosvenor Square fertig ist. Sie werden dafür sorgen, dass die Diener in meinen
anderen Besitzungen unterkommen.«
    »Ja, Euer Gnaden.«
    »Gut. Beschreiben Sie mir jetzt die
Diener der Clarges Street.«
    »Es ist ein Butler dort, John
Rainbird, und ein Lakai, Joseph. Dann gibt es einen Koch, Angus MacGregor, und
die Haushälterin, Mrs. Middleton. Zum Personal gehören außerdem drei
Dienstmägde. Das Hausmädchen heißt Alice, das Stubenmädchen Jenny, und das
kleine Küchenmädchen heißt Lizzie.«
    »Und sie erwarten mich?«
    »Ja, Euer Gnaden! Euer Gnaden, falls
ich meine Meinung dazu sagen darf — wenn wir das Haus verkaufen, dann würde ich
mir keine Umstände machen wegen dieser Diener. Ich fürchte, sie sind Jakobiner
und Radikale.«
    »Was Sie nicht sagen! Warum haben
Sie sich dann ihrer nicht schon viel früher entledigt?«
    »Ich habe gerade erst entdeckt, dass
sie sich ein bisschen zuviel herausnehmen.«
    »Sie können sie immer noch binnen
einer Minute loswerden.«
    Palmer spürte, wie ihm der Schweiß
ausbrach. Sein Widerwille gegen die Diener hatte ihn in die Falle gehen lassen.
Rainbird, der Butler, würde dem Herzog bestimmt die Wahrheit über ihre
niedrigen Löhne erzählen, wenn er sowieso keine Hoffnung mehr hatte, weiter
beschäftigt zu werden. Nur solange Rainbird diese Hoffnung hegte, war Palmer in
der Lage, über seinem Haupt das Damoklesschwert einer schlechten Referenz schweben
zu lassen.
    »Vielleicht war ich etwas zu
vorschnell und streng mit meinem Urteil«, sagte Palmer hastig. »Euer Gnaden
werden ohne Zweifel selbst eine Entscheidung
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