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0599 - Die Kralle

0599 - Die Kralle

Titel: 0599 - Die Kralle
Autoren: Jason Dark
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sich entwickelte. Aber was tat man nicht alles für seine Freunde? Sogar an einem Sommerabend einen fremden Friedhof besuchen…
    ***
    Um so schnell wie möglich ans Ziel zu kommen, mußten wir den Motorway M 26 nehmen. Bis Maidstone konnten wir fahren. Von dort ging es über eine Verbindungsstraße auf den Motorway M 26, den wir nicht ganz bis zu seinem Ende durchfuhren.
    Zum Glück hatten nicht viele Menschen die gleiche Idee gehabt wie wir.
    Bill konnte seinem Porsche die Sporen geben, weil die Fahrbahn doch ziemlich leer war.
    Er dachte ähnlich wie ich. So ganz traute er dieser Deliah Courtain nicht.
    »Kennst du sie eigentlich?« fragte ich.
    Bill hielt das Lenkrad fester. »So gut wie kaum. Ich habe einige Male mit ihr gesprochen, das ist alles. Man kann nicht sagen, daß Sheila und sie befreundet waren. Man muß sie als gute Bekannte einordnen, die nicht alles voneinander wußten.«
    »Erinnerst du dich denn an sie?«
    »Auch nicht so recht.« Er grinste. »Ich weiß allerdings, daß sie eine schöne Frau war. Schwarzhaarig und sehr apart. Ihren ehemaligen Verlobten kannte ich überhaupt nicht, und dieser Prosper van Meeren ist mir vom Aussehen her auch kein Begriff. Wir müssen uns da beide mehr oder weniger überraschen lassen.«
    »Weißt du denn, wie er umgekommen ist?«
    »Ha, da fragst du mich was, John, aber ich hänge, ehrlich. Ich habe keine Ahnung.«
    »Auch keinen Verdacht?«
    »Nein, er war plötzlich tot.«
    »Ja, ja«, murmelte ich salbungsvoll.
    »So jung und so plötzlich tot. Das ist ein Hammer.«
    »So etwas kann es geben, John.«
    »Muß aber nicht.«
    »Dann hast du einen Verdacht?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, es ist nur das gesunde Mißtrauen, mehr nicht.«
    Wir waren mittlerweile tief hineingefahren in die Grafschaft Kent, einer englischen Vorzeigelandschaft mit sanften Hügeln, großen Weiden, viel Wald, Schlössern und Menschen, die ebenfalls der Jagd frönten, denn die herbstlichen Gesellschaften waren berühmt.
    Noch dauerte es seine Zeit. Die Hitze hatte kaum nachgelassen.
    Am Himmel war die Sonne mittlerweile verschwunden. Schwer und dick wälzte sich der breite, graue Schatten der Dämmerung über den unendlich erscheinenden Himmel.
    Wenn Wind wehte, war es der Fahrtwind, der durch das offene Dach schoß und unsere hinteren Haare aufwühlte. Bill fuhr nicht mehr so schnell. Er rollte auf der linken Spur dahin und hielt bereits nach der Ausfahrt Ausschau.
    »Kennst du den alten Friedhof eigentlich?« Ich hatte keine Lust, ihn lange zu suchen.
    »Deliah hat den Weg beschrieben. Bei ihrem zweiten Anruf ist sie dann gesprächiger geworden.«
    »Sollte sich alles als Ente herausstellen, Alter, bist du mir noch etwas schuldig.«
    »Natürlich, John.«
    Das Land blieb flach. Auf dem Schild der Ausfahrt erschienen die Namen mehrerer Orte. Wie gewaltige Arme griffen die Schatten der Dämmerung zu und deckten vieles ab.
    Ich hörte das Jaulen der Pneus, als Bill den Wagen in eine Kurve zog. Mein Freund grinste lausbübisch. »Manchmal kommt es eben über mich. Besonders dann, wenn Sheila nicht dabei ist.« Er strich sein braunes Haar zurück und kickte den Blinker nach links. In die entgegengesetzte Richtung führte der Weg nach Canterbury.
    Die Straße stach in das flache Gelände. Weiter vorn sahen wir die welligen Schatten der Berge, die sich aneinanderreihten. Die Luft war trocken. Wir brauchten unbedingt Regen, der bis auf einige heftige Schauer ausgeblieben war. Mensch und Tier träumten von einem Landregen.
    Das Gras am Straßenrand war vertrocknet. Ein Schwarm Vögel segelte pfeilartig über das flache Land.
    Sie überholten eine Rotte von Motorradfahrern, deren Maschinen einen wahnsinnigen Lärm produzierten. Als Donner verklang er schließlich in der Ferne.
    Nach drei Meilen erschienen die ersten Gehöfte. Saubere Wohnhäuser mit ebenso sauberen Ställen. Bei diesem Wetter saßen die Menschen noch im Freien.
    Bill stoppte und erkundigte sich nach dem Friedhof. Man schaute uns schief an. Einer fragte, ohne seine Zigarre aus dem Mund zu nehmen. »Wen wollen Sie denn da besuchen?«
    »Einen Bekannten.«
    »Mitten in der Nacht?«
    »Ja.« Bill lachte. »Ist zwar ungewöhnlich, aber wir haben es früher nicht geschafft. Oder spukt es auf dem Acker?«
    »Das kann sein.«
    »Wer geistert denn da herum?«
    »Die Toten mögen keine Fremden.« Der Mann drehte sich um und ging einfach davon.
    Wir fanden den Friedhof dennoch. Er lag nicht neben der Kirche, sondern außerhalb des
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