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0595 - Radio-Grauen

0595 - Radio-Grauen

Titel: 0595 - Radio-Grauen
Autoren: Jason Dark
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auf seinen Gast, der sich kaum rührte und die Hände in das Polster des Stuhls verkrampft hatte. Seine Augen wirkten wie zwei leblose Kugeln, die jeden Augenblick aus den Höhlen purzeln konnten. Trotz eines Rauschens war die Stimme der verstorbenen Frau deutlich zu hören, und bei fast jedem Wort nickte Taylor.
    Er saugte die Sätze in sich ein, er lauschte, er dachte gleichzeitig darüber nach, und er schaffte es, sich zu beherrschen. Außer einem Stöhnen drang kaum ein Laut aus seinem Mund.
    Dann verstummte die Stimme, und Max meldete sich wieder bei seinen Hörern. Auch er unterlegte die Worte durch ein schweres Atmen und sagte leise: »Ich werde mich gleich wieder melden. Sie können sich vorstellen, wie es meinem Gast ergeht, der neben mir sitzt und der Stimme seiner verstorbenen Frau hat lauschen müssen.«
    Armand brachte die Musik.
    Max schaute auf Garry Taylor. Der Mann hatte sich zurückgelehnt. Er atmete durch den Mund. Sein Blick fiel dabei gegen die schallisolierte Decke.
    »Sind Sie noch immer sicher, daß Sie mit Ihrer Frau gesprochen haben, Mr. Taylor?«
    »Sehr sicher.«
    »Und Sie haben ihre Botschaft auch verstanden?«
    »Sogar begriffen«, flüsterte er. »Helen wirbt für das Jenseits.«
    »Ja, sie will es uns schmackhaft machen.«
    »Sie will uns die Angst vor dem Tod nehmen«, sagte Taylor. Er nickte, war aber nicht überzeugt. »Sie ist schon da!« flüsterte er.
    »Helen hat die Botschaft überbracht, die ich schon beim erstenmal begriffen habe.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte Max.
    »Nun ja, es überkam mich ein gewisses Gefühl.«
    »Ach ja?«
    Taylor nickte. »Ja, eine Sehnsucht nach einer anderen Welt. Die Sehnsucht nach dem Jenseits. Als ich meine Frau flüstern hörte, da war mir, als sollte ich ihr jeden Augenblick folgen. Können Sie das begreifen, Mr. Schreiber?«
    »Schwer.«
    »Die Stimme meiner geliebten Frau besaß eine suggestive Kraft, auf die ich ansprach.«
    »Aha, Sie wollen zwar nicht sterben, freuen sich aber darauf, irgendwann ihre Frau wiederzusehen.«
    »Vielleicht.«
    Max reagierte blitzschnell. »Was Sie mir da gesagt haben, ist ungemein interessant. Wir könnten unsere Hörer fragen, ob es Ihnen ähnlich ergangen ist? Was halten Sie davon? Wir sprechen mit Ihnen, wir reden von der Todessehnsucht. Wer von den Zuhörern den Drang ebenfalls verspürt hat, soll sich bei uns melden.«
    Taylor hustete. »Das ist aber eine sehr intime Sache«, sagte er.
    »Sie geht eigentlich nur die Person etwas an, die davon direkt betroffen ist. Ich würde mich weigern.«
    »Andere vielleicht nicht.«
    Die Musik lief aus. Max zeigte wieder auf das Rotlicht und beugte sich vor. »Hallo, hier bin ich wieder. Ich melde mich nicht aus dem Reich der Toten, sondern aus dem Studio, obwohl, das muß ich zugeben, mir in den letzten Minuten wahre Schauer über den Rücken gelaufen sind. Das habe ich noch nie erlebt. Ich durfte mich auch mit meinem Gast unterhalten, und er gestand mir etwas ein. Bei den suggestiven Worten seiner Frau verspürte er so etwas wie eine tiefe Sehnsucht nach ihr. Ja, er sehnte sich danach, mit dem Jenseits Kontakt aufzunehmen. Nun meine Frage, liebe Hörer. Haben Sie einmal das gleiche Gefühl verspürt? Hat auch Sie die Sehnsucht nach dem Jenseits überkommen? Wenn dies der Fall sein sollte, möchte ich Sie bitten, bei uns anzurufen. Ich werde Ihnen jetzt die Telefonnummer durchgeben, unter der Sie uns erreichen können.« Max Schreiber ›buchstabierte‹ langsam zum Mitschreiben.
    Neben ihm saß Garry Taylor. Daß er mit sich selbst sprach, war nur zu sehen, nicht zu hören. Obgleich er seine Lippen bewegte, drang kaum ein Laut aus seinem Mund. Er stierte ins Leere, die Augen wirkten dabei wie zwei Fremdkörper.
    »So«, sagte Max, als wieder die Musik lief. »Jetzt warten wir auf Anrufer. Vielleicht sind Sie der einzige mit solchen Gefühlen, Mr. Taylor. Lassen Sie uns auf die Anrufe gespannt sein.« Max griff zu den Zigaretten. Er brauchte jetzt ein Lungenstäbchen. Als er das Feuerzeug aufflammen ließ, griff der Mann neben ihm in seine linke Hosentasche. Max konnte nicht erkennen, was er hervorholte, aber er hörte das Klick!
    Augenblicklich versteifte er sich. Auf seinem Rücken fror die Gänsehaut ein.
    Nur langsam drehte er den Kopf.
    Da war es schon zu spät. Garry Taylor hielt in der rechten Hand ein Messer. Die schmale Klinge war aus dem Griff geschossen, ihre Spitze wies gegen Garrys Hals.
    »Verdammt, was…!?«
    »Ich komme, Helen!« Garry stieß zu.
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