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0571 - Die Legende vom grauen Riesen

0571 - Die Legende vom grauen Riesen

Titel: 0571 - Die Legende vom grauen Riesen
Autoren: Jason Dark
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Patientin aufgenommen. Sie wollte sie hören.
    Neben seinem Schreibtisch stand ein kleiner Kühlschrank. Aus ihm holte er eine Flasche stilles Mineralwasser, schenkte es in ein Glas ein und ging zurück zu der blonden Lucy.
    Noch immer lag die vierundzwanzigjährige Frau regungslos auf der Liege. Dr. Ward setzte sich neben sie und zupfte den Rock wieder nach unten. Davon merkte sie kaum etwas. Dann strich er über ihre Wangen, zuerst mit von oben nach unten führenden Bewegungen, anschließend mit kleinen Kreisen.
    Das hatte meist Erfolg, auch Lucy Freeman machte keine Ausnahme. Die Berührung tat ihr gut. Sie hob den Arm und hielt die Hand des Psychiaters fest.
    »Was ist, Lucy?«
    »Ich möchte, daß Sie immer so weitermachen, Doktor.«
    »Das geht nicht.«
    Lucy seufzte und öffnete die Augen. »Ja, leider, Doktor.«
    »Ihr Wasser – bitte.« Er reichte ihr das Glas.
    Lucy lächelte, bevor sie trank. »Sie wissen genau, was ich jetzt brauche.«
    »Ja, es ist bei all meinen Patientinnen so. Wenn die nach der Sitzung erwachen, fühlen sie sich wie ausgetrocknet.«
    Lucy Freeman lachte auf. »Erwachen ist gut«, sagte sie. »Ja, ich bin erwacht. Ich habe geschwitzt. Die Bluse klebt an meinem Körper. Ich muß Schreckliches erlebt haben.«
    »Erinnern Sie sich nicht mehr daran, Lucy?«
    Ihre Lippen zuckten an den Rändern. »Vage«, flüsterte sie. »Wirklich – nur sehr vage.«
    »Ich habe Ihre Worte aufgenommen. Wollen Sie, daß ich das Band abspielen lasse?«
    Lucy atmete tief ein. »Ich bin mir nicht sicher, Doktor. Waren die Sätze denn schlimm?«
    »Zumindest nicht harmlos.«
    »Das habe ich mir gedacht. Der Traum – es ist der Traum von diesem Riesen gewesen, nicht wahr?«
    Dr. Ward nickte. Er ließ das Band zurücklaufen, stoppte es an einer bestimmten Stelle und fragte noch einmal. »Wollen Sie hören, was Sie mir gesagt haben?«
    »Ja!« erwiderte sie heftig. »Ja, spielen Sie es bitte ab. Es ist egal. Ich kenne den Traum. Er ist oft genug zurückgekehrt. Ohne ihn wäre ich nicht zu Ihnen gekommen, Doktor.«
    »Das ist vernünftig, Lucy!« Dr. Louis Ward tippte eine entsprechende Taste. Zunächst drang nur ein leises Rauschen aus dem Lautsprecher. Sekunden später erst hörte Lucy Freeman ihre eigene Stimme. Sie richtete sich auf und wurde bleich. Sie merkte selbst, daß sie anfing zu zittern. Sie konnte mithören, wie stark sie gelitten hatte, und es fiel ihr mehr als schwer, ruhig und normal sitzen zu bleiben.
    »Wenn Sie es nicht mehr hören wollen, Lucy, schalte ich den Recorder ab.«
    »Nein, nein, Doktor, das muß ich hören. Es betrifft mich ja selbst.«
    »Da haben Sie allerdings recht.«
    Lucy hörte sich die Aufnahme bis zum Ende an. Danach war sie so geschafft, daß sie erneut um einen Schluck Wasser bat. Dr. Ward brachte ihn seiner Patientin. Erst als sie das Glas leergetrunken und sich wieder erholt hatte, stellte er die Frage. »Nun, Lucy, was sagen Sie dazu?«
    Die junge Frau hob die Schultern. »Nichts«, flüsterte sie. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, Doktor. Es ist klar, daß es meine Stimme gewesen ist, aber sonst…«
    »Sie haben Ihre traumatischen Erlebnisse berichtet. Es sind diese Alpträume, die Sie bedrücken. Endlich konnten Sie frei darüber reden und sich entlasten. Tut Ihnen das nicht gut?«
    Lucy antwortete zögernd. »Das… das weiß ich nicht einmal, Doktor. Ich glaube nicht so sehr, daß es mir gut tut, ich sehe darin eher eine Bestätigung.«
    »Für was bitte?«
    »Das kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
    »Aber Lucy…«
    »Doch!« Jetzt nickte sie und schaute auf ihre Zehen, die sich unter den schwarzgrauen Nylons abzeichneten. »Ich sehe eine Bestätigung für meine Träume, für meine Ängste.«
    »Nichts weiter?«
    »Vielleicht, Doktor. Ich habe fürchterliche Angst davor, trotzdem zieht es mich irgendwie zu ihm hin.«
    »Zu dieser monströsen Gestalt, die Sie mir im Traum beschrieben haben?«
    »Ja, zu dem grauen Riesen. Ich habe das Gefühl, ihn besuchen zu müssen.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Doktor, nicht nur das Gefühl. Ich weiß, daß ich zu ihm hin muß. Verstehen Sie das? Ich muß ihn besuchen.«
    »Ham«, der Arzt nickte. Er saß jetzt auf einem Stuhl und hatte die Beine übereinandergelegt. »Aber weshalb müssen Sie zu ihm? Es wird bestimmt einen Grund geben.«
    »Wenn ich das wüßte…«
    »Denken Sie doch nach, Lucy. Konzentrieren Sie sich bitte. Was zieht Sie zu ihm?«
    »Eine Sucht, Doktor. Es ist wie eine Sucht, der ich partout
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