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057 - Schreckensmahl

057 - Schreckensmahl

Titel: 057 - Schreckensmahl
Autoren: Larry Brent
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leben konnte …«
    »Sie wissen sehr viel – über den ehemaligen Besitzer
dieses Hauses?« fragte Patrick Dolan fast andächtig.
    Der Alte nickte, griff mit leicht zitternden Fingern nach
seinem Punschglas. »Ich habe der Erforschung gerade dieser historischen Dinge
einen sehr breiten Raum in meinem Leben eingeräumt. Ich kenne jeden Winkel
dieses Hauses, seine Geheimnisse. Ich habe Funde gemacht …
    Es gab eine Folterkammer hier. Hinter einer geheimen
Kellertür.«
    »Kann ich sie sehen?«
    Ich riß mich zusammen, scheuchte die Müdigkeit aus den
Gliedern, erhob mich. Das wollte ich mir unter keinen Umständen entgehen
lassen. Dieser Abend nahm eine Entwicklung, die ich nicht für möglich gehalten
hätte. Patrick Dolan und seine verrückten Ideen!
    Wir gingen in den Keller. Die Geheimtür unterschied sich
kaum von der groben, feuchten Mauer. Der Alte trug eine Petroleumlampe. Hier
unten gab es kein elektrisches Licht.
    Die Tür bewegte sich knirschend. »Sie läßt sich nur halb
öffnen …« Einer nach dem anderen drängte sich durch den schmalen Spalt. »Bauch
einziehen«, bemerkte Patrick Dolan noch, der dem Alten, der uns voranging,
folgte. Ich bildete den Abschluß.
    Die Folterkammer wäre das Prunkstück jedes Museums
gewesen. Es gab eine Streckbank, Daumenzwingen, eine Eiserne Jungfrau, ein
äußerst seltenes Exemplar. Marterinstrumente, verrostet, hingen an der kahlen
Wand. Der Alte hatte das Gebiet wirklich eingehend studiert, denn er wußte zu jedem
Instrument genau anzugeben, wie und wann es gebraucht worden war. Es gab noch
eine Vorrichtung, mit der man die Zunge des Opfers herausgerissen hatte. In der
Nische ein alter, wackliger Stuhl. In Kopfhöhe etwa ein großer, fleckiger
Behälter, in dem sich ein dünnes, verstopftes Spundloch befand.
    »Hier – eine Art Wahnsinnsmaschine, teuflisch«, bemerkte
der Alte. »Wer hier draufgesetzt wurde, dem war zuvor das Haupthaar abgeschoren
worden. Auf den blanken Schädel tropfte dann in regelmäßigen Abständen eiskaltes
Wasser. Am Anfang machte das dem Betroffenen wenig aus, dann aber schien der
Druck immer stärker zu werden, bis er zu guter Letzt das Gefühl hatte, ein
zentnerschwerer Hammer würde auf seinen Schädel herabsausen. Wahnsinn war das
Ergebnis …«
    Er führte uns weiter. Wir gelangten an eine schmale
Holztür.
    Der Alte wandte sich um und leuchtete seine beiden
nächtlichen Besucher mit der Laterne an.
    »Hier, in der folgenden Kammer – das ist eine Art Hobbyraum
– habe ich eine besondere Sammlung untergebracht. Ich habe mich gerade mit
Jonathan Peter Dolans Leben eingehend befaßt. Jedes nur erdenkliche Buch habe
ich gelesen, bin auf Hinweise und Augenzeugenberichte gestoßen. Ich habe eine
Liste der Mädchen – der Hexen – zusammengestellt, die er hinrichtete oder für
deren Tod er mittelbar verantwortlich zu machen war.«
    Patrick Dolan wischte sich über das heiße Gesicht. »Wenn
der Name Dolan fällt, dann habe ich immer das Gefühl, als sei ich damit
gemeint.«
    »Sie sind ein Nachkomme des Hexenjägers. Und in gewissem
Sinn …«
    Ich sah es in den Augen des Alten aufblitzen.
    »Ich glaube, wir steigern uns in eine Stimmung, die gar
nicht vorhanden ist. Der Punsch mag mit dazu beitragen … Man kann ihn doch
nicht für die Taten eines Mannes verantwortlich machen, der vor vierhundert
Jahren gelebt hat.«
    »Das wollte ich damit auch nicht gesagt haben«,
entgegnete der Alte.
    »Es hat sich aber so angehört.« Ich wußte selbst nicht,
was mich mit einem Mal in eine derart gereizte Stimmung versetzte. Aber ich
konnte meine Zunge nicht im Zaum halten.
    Vielleicht wäre es zu einem Streit gekommen, wenn der
Alte sich nicht der Tür zugewandt hätte. So genau vermag ich heute die
Stimmungen und Gefühle, die mich damals beherrschten, nicht mehr zu beschreiben
und zu analysieren.
    »Wir werfen noch einen Blick in die Puppenkammer. Dann
gehen wir wieder rauf.« Mit diesen Worten schloß er die Tür auf.
    Im Schein der Petroleumlampe hatte man das Gefühl, dem
Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud einen Besuch abzustatten.
    Puppen, hatte der Alte gesagt. Aber es waren
ausgewachsene, mannsgroße Gestalten. Ausschließlich hübsche junge Frauen, mit
langen Haaren, geflochtenen Zöpfen, großen dunklen Augen, ebenmäßigen
Gesichtern, edlen Nasen, feingeschnittenen Mündern, die so echt, so
hervorragend ausgearbeitet waren, daß man das Gefühl hatte, diese schimmernden
Lippen würden zum Küssen verlocken …
    Ich war unfähig,
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