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0560 - Der Rattenmensch

0560 - Der Rattenmensch

Titel: 0560 - Der Rattenmensch
Autoren: Jason Dark
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lebte in Ungarn, doch Lorri kannte kaum Unterschiede.
    Eines griff in das andere über.
    Sie näherte sich ihrer Hütte mit schlurfenden Schritten. Noch war die Sonne nicht gesunken. Ein sehr heißer Tag lag hinter ihr. Sie fühlte sich ausgelaugt, durstig und hungrig.
    Das körperliche Wohlbefinden aber konnte warten. Wichtig war ihre Seele. Die brauchte neues Feuer, das würde sie bekommen, denn dieser Abend war für die Beschwörung wie geschaffen.
    Längst hatte sie gespürt, daß etwas bereit war, sein Versteck zu verlassen und an die Oberfläche zu gelangen. Es hatte in den Tiefen der unheimlichen Schlünde für lange Zeit seinen Platz gehabt. Es hing zusammen mit dem Tod, dem Grauen, mit Blut.
    Sie hatte die Menschen gewarnt, doch sie war ausgelacht oder aus den Häusern und von den Höfen geworfen worden.
    Dabei wußte sie es besser, viel besser…
    Vor dem alten Haus stieg der Weg an, Gras und Unkraut vermischten sich miteinander. Vogelbeerbüsche flankierten die Strecke.
    Das Haus selbst wirkte wie eine Ruine oder wie die dicke Rinde der alten Buchen, die es mit ihrem breiten und ausladenden Zweigen überdeckten. Auf dem Dach wirkten die Löcher wie schiefe Höhleneingänge. Manche Schindeln waren verrutscht. Eine alte Kette, die über die Dachrinne hinweghing und an der Wasser abtropfen konnte, zeigte einen braunen Rostfilm. Die Tür hing nicht nur schief in den Angeln, sie wirkte auch wie ein verkantetes Rechteck und lag zur Wetterseite hin. Wind und Regen hatten das Holz ausgewaschen. Wenn die Natur zu sehr verrückt spielte, drangen die Wasserlachen bis ins Haus.
    Interessant war der große Kamin an der Rückseite. Ein breiter Schornstein ragte über das schräge Dach hinweg. Zur Wetterseite hin zeigte er eine Schicht aus Moos.
    Das war die Welt der Lorri, der alten Zigeunerin. Hier fühlte sie sich wohl. In diesen Wänden lebte sie schon seit vielen Jahren, zusammen mit einem alten Kater, dessen Fell rabenschwarz war. Er hatte Lorri kommen gehört und verließ seinen Platz auf dem Dach.
    Träge stellte er sich auf und machte einen Buckel. Er lief die kurze Strecke zum Dachrand, schaute aus seinen dunkelblauen Augen in die Tiefe und stieß zur Begrüßung ein klagendes Miauen aus.
    Lorri lachte krächzend, hob die Hand, der Kater kannte das Zeichen. Er sprang vor ihre Füße, ließ sich streicheln und preßte seinen Kopf gegen die Beine der alten Frau.
    »Ja, du bist der Beste, Satan, du bist der Beste. Dir macht niemand etwas vor.«
    Sie liebte ihren Kater, denn auf ihn konnte sie sich verlassen. Er war ihr treu, anders als die Menschen, die nur danach trachteten, ihr Böses zu tun.
    Mit beiden Händen wühlte sie durch das Fell, bürstete es auch gegen den Strich. Satan fühlte sich wohl. Er rollte sich auf den Rücken, dann über den Boden.
    Lorri richtete sich wieder auf.
    Mittlerweile war die Sonne gesunken. Noch lag die Helligkeit des Abends über der Gegend. Nicht weit entfernt glänzte die Scheibe des Sees, für Touristen der Anziehungspunkt.
    Lorri gefiel es nicht, wenn so viele Menschen kamen. Sie wollte ihre Ruhe haben, aber auch das Böse sollte nicht an die Oberfläche gelockt werden. Jahrelang hatte sie es verhindern können, jetzt war es da. Je mehr Menschen, um so größer war die Anzahl der Opfer.
    Sie hustete. Manchmal hatte sie Schwierigkeiten mit ihrer Atmung.
    Es ging nicht mehr so gut wie früher, auch sie war nicht unsterblich, und sie würde in den letzten Jahren ihres Lebens noch eine gewisse Erfüllung bekommen, auch wenn sie negativer Art war.
    Ins Haus ging sie nicht.
    Satan begleitete sie dabei, als sie auf zwei Buchenstämme zuschritt, die sie als ihren Aussichtspunkt bezeichnete. Von dort konnte sie das Gebäude sehen, dem sie den Namen Festung gegeben hatte. Nicht zu unrecht, denn bei diesem klassizistisch anmutenden wuchtigen Bau handelte es sich tatsächlich um so etwas Ähnliches.
    Vier hohe Wachtürme bildeten die Grenzen. Verbunden waren sie durch dicke, undurchdringliche Steinmauern. Scheinwerfer leuchteten in der Nacht das Gelände ab, Warnanlagen standen in ständiger Bereitschaft, um irgendwelche Unregelmäßigkeiten zu melden. Als etwas archaisch anmutende Sicherheit thronten auf den breiten Mauerkanten noch die Stacheldrahtrollen.
    Ein Bau, eine Festung – ein Gefängnis!
    Wer dort einmal hockte, der kam so einfach nicht hinaus. Wenigstens mußte er seine Zeit absitzen, Begnadigungen gab es nur höchst selten.
    Über das Gefängnis erzählte man sich die
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