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0559 - Kapitän Sensenmann

0559 - Kapitän Sensenmann

Titel: 0559 - Kapitän Sensenmann
Autoren: Jason Dark
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wurde dunkel vor Gayles Augen, dann wieder hell, danach schwammiggrau, und der nächste Hieb erwischte sie an der gleichen Stelle.
    Unzählige Lichter explodierten in ihrem Kopf. Sie sprangen weg – und verloschen.
    Aus, vorbei…
    Jegliche Kraft rann aus ihrem Körper. Sie öffnete die rechte Faust.
    Der Revolver glitt hervor. Mit der Mündung zuerst blieb er in der kleinen Blutlache liegen.
    Ein fürchterliches Lachen durchtoste den Raum. Weit hatte der Papagei den Schnabel aufgerissen. Er freute sich über diese Aktion, und er kommentierte schon die nächsten Schritte.
    »Tot!« kreischte er. »Tot, sie wird sterben. Wie die anderen, wie die anderen. An die Rah mit ihr, an die Rah mit dieser verdammten Hexe! An die Rah…«
    Der Sensenmann kümmerte sich nicht um das Geschrei. Er bückte sich und bekam einen Arm der Bewußtlosen zu fassen. Wie einen Sack schleifte er sie dem Ausgang entgegen.
    Bei jedem Schritt schlug auch seine Prothese dumpf auf. Es klang wie ein langsam geschlagener, tödlicher Trommelwirbel…
    ***
    Etwas kam von der Seite, spülte gegen ihr Gesicht, schlug über dem Körper zusammen, drang auch in den Mund, die Augen, die Nase und sorgte dafür, daß sie aus der Tiefe der Bewußtlosigkeit wieder an die Oberfläche klettern konnte.
    Man hatte die junge Polizistin nicht zum erstenmal ins Reich der Träume geschickt, das Erwachen war immer anders und trotzdem gleich. Nur hatte es sie bei den beiden vorherigen Malen nicht so vehement getroffen wie diesmal.
    Sie spie das Wasser aus, sie hustete und spürte bei jedem Durchhusten die Schmerzen wie Stiche in ihrem Schädel. Auch ihre rechte Hand brannte, als würde Feuer über sie hinwegstreifen.
    Gayle kam nicht zurecht. Eine zweite Welle überspülte sie derart wuchtig, daß sie trotz des dumpfen und schmerzenden Gefühls im Kopf den Gedanken zusammenbrachte, daß sie sterben würde. Elendig ertrinken oder…
    Das Wasser verlief sich.
    Gayle riß die brennenden Augen auf. Klar sehen konnte sie nicht.
    Weit über ihr war alles grau. Vielleicht ahnte sie, daß es sich dabei um den wolkenbedeckten Nachthimmel handelte, genau wußte sie es nicht. Sie spürte nur, daß etwas Hartes unter ihren Rücken geschoben wurde. Jemand hob sie hoch.
    Dumpfe Schläge erreichten ihr Ohr. Der Abstand der Echos konnte als regelmäßig gelten, und gerade diese Laute gaben ihr die Erinnerung wieder zurück.
    Die Warnungen ihrer Mutter, das Erscheinen des skelettierten Kapitäns, das dumpfe Klopfen der Prothese auf den Bohlen. Eben diese Geräusche wiederholten sich.
    Das Resultat stand plötzlich fest.
    Sie, Gayle Bowman befand sich auch nach dem Erwachen aus der Bewußtlosigkeit noch in der Gewalt dieses knöchernen Monstrums.
    Eine fürchterliche Vorstellung, die sie fast an ihrem Verstand zweifeln ließ. Die ersten Schauer der Angst durchschüttelten ihren Körper. Erst jetzt fiel ihr der Schmerz in ihrer rechten Schulter auf. Er kam nicht von ungefähr, denn der Knöcherne schleifte sie kurzerhand hinter sich. Er hielt ihren Arm dicht über dem Gelenk fest, und die Echos der Prothese entstanden auf feuchten, alten, dennoch irgendwie harten Planken.
    Die Umgebung huschte wie ein schattenhafter Film an ihren Augen entlang.
    Gayle erkannte irgendwelche Aufbauten, Segelmasten, Fetzen der Takelage, der Leinwand, brüchiges Holz, ein gewaltiges Steuerrad.
    Da wußte sie, wo der Kapitän sie hingeschleppt hatte.
    Auf ein Schiff.
    Und nicht nur dort, auf sein Schiff!
    Aus den Tiefen des Meeres war es gestiegen. Mit zerfetzten Segeln und peitschender Takelage flog es über die Meere, als wäre sein Ziel die Hölle.
    Die alte Legende war zu einer fürchterlichen Wahrheit geworden.
    Gayle hatte nicht daran glauben wollen, weil es ihr einfach nicht in den Schädel hineinwollte, nun würde sie auch das bittere Ende miterleben.
    Wie sah es aus?
    Ihre Mutter hatte von Kannibalismus gesprochen. Allein der Gedanke daran ließ sie aufschreien. Als wehrloses Opfer schleifte sie der Knöcherne über das Deck des schwankenden Seglers, den die Wellen in die Täler schoben oder auf ihren Rücken reiten ließen.
    Noch immer kochte das Meer. Der Sturm peitschte das Wasser zu Bergen oder Figuren hoch, die manchmal über dem Schiff zusammenschlugen, als wollten sie es verschlingen.
    Eine andere Frau hätte vielleicht aufgegeben, nicht Gayle Bowman. Hinter ihr lag keine normale Ausbildung. Als Polizistin hatte man ihr eingebleut, wie sie sich in gewissen Situationen verhalten mußte. Was sie
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