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0553 - Geisterstunde

0553 - Geisterstunde

Titel: 0553 - Geisterstunde
Autoren: Werner Kurt Giesa
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mit den Eisenhandschuhen das Visier hoch. Jetzt konnte er nicht nur besser sehen, sondern ihm fuhr auch ein kühler Windhauch über das Gesicht und trocknete die Schweißtropfen. Sofort fühlte Gregor sich ein wenig besser.
    Er stieß das lange Bihänder-Schwert mit der Spitze in den Boden und stürzte sich mit verschränkten Armen auf den Griff. Das sah recht mutig und überlegen aus, wie er aus verschiedenen Schlachten wußte. So pflegten sich die feindlichen Heerführer und Krieger in den Kampfpausen gegenüberzustellen und sich gegenseitig mit Spott, Schmähreden und Herausforderungen zu überschütten.
    Den Drachen verwunderte das etwas, hatte er doch damit gerechnet, daß der Ritter wutschnaubend und schwertschwingend auf ihn einstürmte. Er hatte vorsorglich schon tief Luft geholt, um ihm einmal mehr sein loderndes Feuer entgegenzublasen. Ein dicker Rauchfaden kringelte sich nun aus dem erwartungsvoll halb geöffneten Drachenmaul hervor.
    »Haltet ein, Träger zahlloser Schuppen«, rief Gregor. »Wieso denkt Ihr, es geht nicht?«
    Der Drache schüttelte verdrossen den Kopf. »Wollt Ihr nun dummes Zeug schwatzen oder kämpfen? Entscheidet Euch gefälligst bald! Wenn Ihr schwatzen wollt, verspeise ich Euch gleich in einem Stück. Wollt Ihr kämpfen, habt Ihr wenigstens die Aussicht auf einen ehrenvollen Heldentod.«
    »Ha«, winkte Gregor ab. »Davon wird doch sowieso niemand erfahren, wenn Ihr mich gefressen habt. Oder wollt Ihr etwa meinen Schildknappen gehen lassen oder die Prinzessin?«
    »Mitnichten«, grummelte der Drache.
    »Ich werde sogar Euer Pferdchen verspeisen.« Worauf das Pferd ängstlich wiehernd auskeilte und der Knappe furchtsam die Augen rollte und am liebsten dem Pferd gleich hinterher geeilt wäre. Auch wenn sein Ritter den Drachen wider Erwarten doch nicht erschlug und lebend aus der Schlacht hervorzog, konnte er alle Hoffnungen begraben, selbst einmal Ritter zu werden, dann blieb ihm höchstens noch die Laufbahn eines Räubers. Doch die endeten meistens in einem schmutzigen, dunklen Kerker in Gesellschaft hungriger Ratten oder mit dem Hals in einer Schlinge am Galgenbaum. Kein erstrebenswertes Lebensziel für einen jungen Mann wie Volker…
    Also blieb er. Lieber vom Drachen gefressen werden als von Kerkerratten.
    »Hin und wieder kommt ein fahrender Sänger an meiner Höhle vorbei«, sprach der Drache derweil. »Ich werde ihm von Eurem ruhmvollen Ende berichten, und er wird ein Lied darüber dichten und es dem König vortragen.«
    »Ist das Euer erklärter Wille?« fragte Gregor.
    »Ich denke schon. Nun zaudert nicht länger, sondern kämpft, und laßt mich endlich Eure Rüstung entzwei hauen.« Der Drache kroch noch ein Stückchen weiter aus seiner Höhle heraus. Seine Hornschuppen schimmerten im Sonnenlicht in allen Farben des Regenbogens.
    Die Prinzessin zerrte wieder an ihren Fesseln und sandte hoffnungsvolle Blicke zum Knappen hinüber. Der aber wagte nicht, sie einfach so zu befreien. Tat er es, und der Ritter erschlug den Drachen nicht, waren die Folgen für das Königreich sicher schrecklich, und ihn, Volker, würde man rädern und vierteilen, weil er mit seiner Tat verhindert hatte, daß der schreckliche Lindwurm Ruhe gab…
    Der Drache schlug erneut mit seiner Tatze nach Gregor, eine Kralle verhakte sich am Harnisch.
    Rasch versetzte ihm der Ritter einen Schwerthieb auf die Hornschuppen der gewaltigen Pranke.
    »Laßt das doch sein!« protestierte er. »Können wir uns nicht wie zwei vernünftige Männer unterhalten?«
    »Nein«, flammenfauchte der Drache, und es klang ziemlich endgültig.
    Glücklicherweise löste sich die Kralle gerade in diesem Moment wieder, und durch den Ruck, mit dem Gregor freikam, klappte das Helmvisier von selbst wieder herunter, so daß die Flammen daran abglitten.
    Der Ritter stapfte ein paar weitere Schritte zurück und stürzte sich wieder auf sein Schwert.
    »Ihr seid nicht fair«, beschwerte sich der Drache. »Ihr denkt wohl, Ihr könnt mich aus meiner Höhle so weit herauslocken, daß Ihr mir Euren Zahnstocher - ach nein, es ist ja Euer Schwert - in meinen Bauch stoßen könnt. Das ist arg hinterlistig, ich werde Euch den Gefallen auch nicht tun. Ich folge Euch nicht weiter, ich warte hier. Wenn Ihr die Prinzessin befreien wollt, müßt Ihr auf jeden Fall an mir vorbei.«
    Gregor atmete erleichtert auf und klappte das Visier wieder hoch. »Na, das ist doch schon mal eine gute Grundlage für Gespräche«, sagte er.
    ***
    »Ich will keine
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