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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker
Autoren: Earl Warren
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Jahren hatte in einer wilden Gewitternacht ein Fremder an die Tür des kleinen Häuschens geklopft. Er ritt auf einem schwarzen Pferd und trug einen schwarzen Mantel. Manche Leute behaupteten, das Pferd habe Feuer aus den Nüstern geschnoben und der Reiter habe nur einen Stiefel am linken Bein getragen, während das rechte in einem Pferdefuß endete. Auch habe er nach Schwefel gestunken.
    Tatsache war, daß er die Nacht in dem kleinen Häuschen verbracht hatte. Der Hausherr lag schwer krank. Er starb wenig später. Die Frau des Hauses aber kam neun Monate später mit einer kräftigen Tochter nieder. Sollte wirklich ihr Mann, der ewig kränkelnde, schwächliche Greis, dieses temperamentvolle und lebenslustige Geschöpf gezeugt haben?
    Die Mutter hatte das Geheimnis mit ins Grab genommen. Aber es blieb die Tatsache, daß sie große Angst vor ihrer rothaarigen Tochter gehabt hatte, daß sie in den letzten Monaten ihres Lebens jeden Tag in die Kirche ging und im letzten Winkel kniete, ohne je den Mut zu finden, sich dem Pfarrer anzuvertrauen.
    Als sie starb, blieb die Tochter allein zurück. Bald begannen tolle Gerüchte umzugehen. Hatte nicht der Junker, des Grafen Sohn, sich in verwegenem Ritt den Hals gebrochen, nachdem er in der Hütte der Rothaarigen getobt und geflucht hatte, daß der ganze Ort es hörte? Wie kam denn sie, die Tochter armer Leute, überhaupt an den Grafensohn und was fesselte ihn an ihr?
    Dann waren da noch andere. Der Förster, der im Wald von einem Untier zerrissen wurde. Der junge Lehrer, der immer magerer und schwermütiger wurde und eines Tages spurlos verschwand – drei Tage lang. Dann trieb seine aufgeblähte Leiche im See.
    Viel wurde gemunkelt. Tierstimmen wollte man gehört haben. Auch sei vielfarbiger Rauch aus dem Kamin gestiegen. Die jungen Burschen hätten nur Augen für die Rothaarige. Auch mancher verheiratete Mann vergäße den häuslichen Herd. Sie, die Rothaarige, spielte mit ihnen allen, machte sie toll und verrückt und ließ sie schmachten in ihrem Gram und Kummer.
    Sie kleidete sich schandhaft mit ihrem roten Rock und der weißen, tiefausgeschnittenen Bluse, aus der fast die Brüste herausfielen. Sie ritt im Herrensitz durch Wälder und Felder. Niemand wußte, wovon sie eigentlich lebte, denn die Pacht der Äcker, die ihr zustand, reichte nicht von Weihnachten bis Neujahr zum Leben. An heißen Tagen hatte sie nackt im See gebadet und gar den hochwürdigen Herrn Pfarrer, der bei einem Spaziergang seine Sonntagspredigt repetierte, mit der Sünde des Fleisches konfrontiert und in arge Verlegenheit gebracht.
    So trieb sie es, und es war eine Schande. Der Abt des Klosters, der letzte Sohn einer adligen Familie, bestellte sie zu sich, als die argen Gerüchte auch ihm zu Ohren kamen. Die Rothaarige besuchte den Abt, und es geschah nichts. Freilich mußte sie von da an öfters im Kloster erscheinen, damit Abt Christian Karl von Roxfels ihr Seelenheil überwachen und ihr die Beichte abnehmen konnte. Diese Sitzungen dauerten stundenlang an im verschlossenen Kämmerchen. Sie erschöpften den Abt so, daß ihm üppige Mahlzeiten und roter Wein durch die Tür gereicht werden mußten. Doch was tut ein frommer Mann nicht alles für seine Schäfchen.
    So war die Lage im Dorf, als der Söldner, der Bauernsohn, der es bis zum kaiserlichen Hauptmann gebracht hatte, aus dem Böhmisch-Pfälzischen Krieg zurückkehrte. Die Rothaarige tat den lieben langen Tag, was sie wollte, lachte den Klatschbasen und Tugendpredigern frech ins Gesicht, lebte wie die Spatzen des Himmels, von denen die Bibel sagt, daß sie nicht säen und doch ernten.
    Es wurden allerdings im Verborgenen immer mehr Stimmen laut, daß wohl nicht der liebe Gott für das Wohlergehen der Rothaarigen sorge, sondern mehr sein Widerpart. Jener, dem man schon seit alters her einen Pferdefuß und Schwefelgestank nachsagte wie jenem Fremden, der neun Monate vor der Geburt der Rothaarigen an die Tür des kleinen Häuschens geklopft hatte.
    Eines Tages ritt die Rothaarige durch ein Kornfeld des Söldners Rücksichtslos trieb sie ihren Rappen durch die hohen, wogenden Ähren. Der Söldner stellte sie am Feldrain zur Rede.
    Die Rothaarige lachte nur.
    „Ich reite, wo es mir paßt“, rief sie. „Was kümmert mich dein Korn?“
    Der Söldner musterte sie von Kopf bis Fuß.
    „Wenn du noch einmal durch mein Korn reitest, wirst du eine Woche nicht im Sattel sitzen können.“
    „Was? Willst du mir drohen, du Schlappschwanz? Sieh her, was ich
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