0534 - Die Hexen des Spuks
einen Bruder, der nicht hier lebte, sondern in einer anderen Stadt. Sie muß von der Sache erfahren haben und ist zurückgekehrt, um sich mit ihrer Großtante und deren Freundinnen zu verbinden.«
»Die sich rächen wollen.«
»So ist es!«
Mit einem Ruck löste sich Frauke aus der Umarmung ihres Schwiegervaters. »Du hast es gesagt, Vater, sie wollen sich rächen. Weißt du auch, an wem sie sich rächen wollen?« rief sie laut. »Nicht an dir, was normal gewesen wäre. Dein Sohn und mein Mann ist von ihnen entführt worden. Sie wollen ihn lebendig begraben!« rief sie noch lauter. »Kannst du das begreifen, Vater? Lebendig begraben!«
»Ich weiß es, Kind. Bitte, sei leise. Deine Schwiegermutter und die Kinder sollen nichts hören!«
»Nein!« Die zierliche Frau stampfte mit dem rechten Fuß auf. »Ich will nicht leise sein, ich kann es auch nicht. Jeder soll hören, welch schreckliches Unrecht hier geschieht.« Sie strich ihr Haar zurück.
»Meine Güte, wir stehen hier, und mein Mann sowie dein Sohn werden möglicherweise zu Tode gequält. Ich bleibe nicht mehr. Ich werde zum Friedhof laufen und mich ihnen stellen.«
»Das wirst du nicht, Frauke!«
»Ach, willst du mich daran hindern?«
»Ja!« Seine Antwort klang sehr entschlossen. »Es reicht, wenn sich einer aus der Familie in Gefahr begeben hat. Ein zweiter wird folgen, aber nicht du gehst hin. Ich übernehme die Sache. Ich habe es damals getan, ich werde es auch heute wieder versuchen.«
Frauke starrte den älteren Mann an. »Du willst hingehen und diese drei Toten noch einmal töten?«
»Vernichten muß ich sie!«
»Wie denn?«
»Das ist meine Sache, Kind. Jedenfalls gehe ich. Und wenn ich abermals zum Feuer greifen muß, doch es gibt keinen anderen Weg, mein Kind. Ich muß ihn gehen!«
Wenn sich Julius Feddersen einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es niemanden, der ihn aufhalten konnte, auch wenn er zur Familie gehörte. Er drückte seine Schwiegertochter zur Seite und machte sich auf den Weg zum Friedhof.
Frauke starrte ihm nach. Sie traf auch keine Anstalten, den Mann aufzuhalten. Wie betäubt stand sie vor dem Haus und dachte über die Ereignisse nach, ohne eine Lösung zu finden.
»Mutti, was ist denn?« Erst als sie die Stimme ihrer Tochter hörte, schreckte sie auf.
Das ebenfalls blonde Mädchen rannte quer über den Platz vor dem Haus auf seine Mutter zu.
»Nichts«, sagte Frauke mit kaum verständlicher Stimme. »Eigentlich ist nichts.« Danach bückte sie sich, nahm die Tochter in den Arm und preßte sie an sich…
***
Kommissar Mallmann saß mit unbewegtem Gesicht am Steuer. Ich konnte mir vorstellen, welche Gedanken sich hinter seiner breiten Stirn abspielten und hob die Schultern.
»Tut mir leid, Will. Ich war nur ganz kurz abgelenkt, da ist mir Helga Thorm schon entwischt.«
»Das Feuer«, flüsterte Will. »Schwarze Flammen, die keine Hitze ausströmen. Magisches Feuer.« Er nickte sich selbst zu. »Verflucht noch mal, woher kommt es?«
Darüber hatte ich mir ebenfalls meine Gedanken gemacht. Will bekam auch eine Antwort. »Wir müssen damit rechnen, daß es der Spuk geschickt hat.«
»Und womit rechnest du noch?«
»Daß wir ihm begegnen!«
An einer kleinen Kreuzung stoppte Will, um zu sehen, ob die Straße frei war. Dorfbewohner schauten in den Wagen und studierten unsere Gesichter. »Dann haben wir keine Chance.«
Ich hob die Schultern. »Im Prinzip nicht, aber ich sehe das doch etwas anders.«
»Und wie, bitte?«
»Der Spuk ist zwar mein Feind, aber er ist auch ein Feind eines anderen Feindes von mir.«
»Asmodis?«
»Genau. Der Spuk und ich haben zwar keinen Burgfrieden geschlossen, aber wir akzeptieren uns, weil jeder versuchen will, Asmodis zu zerstören. Der Spuk will die gesamte Macht besitzen. Er kann jedoch nicht in das direkte Reich des Teufels, obwohl in seiner Welt die Seelen der getöteten Dämonen gefangengehalten werden, und der Teufel kann auch sein Reich nicht vernichten. Es ist ein gegenseitiges Belauern; wenn zwei aufeinander lauern, freut sich der Dritte.«
»Also du!«
»Das sehe ich so.«
»Hat der Spuk nicht auch den Würfel des Unheils in seinem Besitz?«
»Leider. Das Duplikat davon besitzt Abbé Bloch.«
»Wenn er ihn einsetzt, John, sehen wir alt aus. Davon würde ich ausgehen.«
»Richtig.«
»Was hältst du ihm dagegen?«
Ich mußte lachen, worüber sich Mallmann wunderte. »Das will ich dir sagen, Will. Ich versuche, eine gewisse Vernunft dagegen zu
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