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0532 - Der Blutschwur

0532 - Der Blutschwur

Titel: 0532 - Der Blutschwur
Autoren: Jason Dark
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hatten stets mit großer Ehrfurcht über den Schwan gesprochen, weil er etwas Besonderes war.
    »Du kennst ihn?« fragte der Dekan.
    »Ja, ich hörte…«
    »Aber jetzt wirst du ihn kennenlernen, Dunja«, erklärte Dekan Diavolo. »Ganz bestimmt sogar, denn dieser Schwan ist etwas Besonderes. Er ist gewissermaßen unser Heiligtum.«
    »Der Begleiter ins Jenseits, nicht wahr?«
    »Auch das stimmt. Doch er ist in Wirklichkeit mehr, viel mehr, sage ich dir.«
    »Und was?«
    Wieder fiel das Lächeln des Dekans dünn aus. »In diesem Schwan«, so lautete die flüsternd gesprochene Antwort, »befindet sich der Geist des großen Ramis. Er ist unser wirklicher Führer. Auf seine Kraft vertrauen wir, er hat die Gabe besessen, die Tore zum Jenseits zu öffnen und damit auch zur Glückseligkeit. Als er starb, lebte sein Geist weiter. Er hatte im Zeichen des Schwans gewirkt, und der Schwan hat auch seinen Geist eingefangen, der uns, wenn wir den Weg ins Glück beschreiten, zur Seite stehen wird.«
    Dunja starrte den schwarzen Schwan an. Der Dekan trug ihr auf seinen ausgestreckten Armen. Der Hals war gebogen und stand so, daß sich der Schnabel der jungen Betrachterin entgegenstreckte. Er war leicht geöffnet und schimmerte heller als der übrige Körper, der aussah wie glatter, schwarzer Stein. Sie konnte auch die Augen erkennen. Es waren besondere Augen, eher starr, dennoch sahen sie aus, als würde Leben in ihnen stecken.
    Lebt der Geist des Inders Ramis tatsächlich in diesem Körper?
    Dunja dachte darüber nach, wagte jedoch nicht, eine entsprechende Frage zu stellen.
    Auch die übrigen Mitglieder der schwarzen Rose schauten den Schwan sowie das Mädchen an. Sie wußten, was folgte, ein jeder von ihnen hatte bei seiner Aufnahme die Prozedur hinter sich bringen müssen.
    Der Dekan trat noch weiter vor. Er kam sehr dicht an das Mädchen heran, so daß der Schnabel des Schwans es beinahe berührte.
    »Nimm ihn!« flüsterte er, »nimm ihn und umarme ihn, damit auch er erkennt, daß du jetzt zu uns und zu ihm gehörst.«
    Dunja atmete durch den offenen Mund. Sie fürchtete sich nicht vor dem schwarzen Gegenstand, aber das Gefühl der Beklemmung blieb bei ihr und dichtete sich noch.
    Sie streckte sehr langsam die Arme aus. Die Hände hielt sie gestreckt. Beide Handflächen, schon leicht feucht, legten sich um den kalten Stein.
    »Jetzt zieh ihn an dich!«
    Sie tat es und wunderte sich darüber, wie leicht der Schwan war.
    Er schien doch nicht aus Porzellan zu bestehen, möglicherweise war er hohl.
    Das Mädchen drückte den Kopf zur Seite, damit sie der Schnabel nicht im Gesicht verletzte. Dann berührte der Hals ihre Wange. Der Stein war merkwürdigerweise nicht kalt. Er besaß eine innere Wärme, die sich auf die Haut des Mädchens übertrug. Dunja rührte sich nicht, dafür der Schwan. Es sah aus, als würde er wachsen, als er mit seinem langen Hals den Hals des Mädchens umschlang.
    Man konnte es als eine, regelrechte Umarmung bezeichnen. Es war jedoch kein Würgen. Der steinerne Schwan liebkoste Dunja…
    Das sahen auch die anderen, die mit dieser Geste sehr zufrieden waren. Der Meister selbst sprach aus, was die anderen dachten. »Er hat dich akzeptiert. Er weiß genau, daß du jetzt zu uns gehörst und innerlich einverstanden bist, in den Tod zu gehen und das ewige Glück zu empfangen. Von nun an wird der Geist des großen Ramis deinen Weg begleiten, denn er gehörte zu den wenigen, die das Jenseits erleben durften. Und er hat seine Lehre nicht für sich behalten, er hat sie weitergegeben, im Zeichen des Schwans, im Zeichen der schwarzen Rose, die Verschwiegenheit bedeutet, und innerhalb des Sechsecks aus Rosen, das für unsere sechs Schutzgeister steht. Sechs böse Geister, deren Namen ich dir jetzt nennen werde. Merke sie dir gut. Es sind Acteus, Megaläsius, Ormenus, Lycus, Nicon und Mimon. Sechs Schützende, denen sich auch Ramis verpflichtet gefühlt hat. Sechs Geister, die den Weg ins Jenseits ebnen. Und nun sprich mir die Namen nach, Dunja.«
    Sie versuchte es. Schon beim zweiten geriet sie ins Stottern, so daß sich der Meister gezwungen sah, sie zu wiederholen.
    Diesmal behielt das Mädchen die Namen.
    Der Dekan war zufrieden. »Nun gehörst du endgültig zu uns. Du wirst froh sein, dich in unserer Mitte bewegen zu können, und du wirst auch auf den Tag warten, wo du vor mir stehst, um die Karte zu ziehen, die dir den Weg in die Glückseligkeit weist.«
    Dunja hatte viel gehört, viel erlebt und auch gesehen.
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