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0532 - Der Blutschwur

0532 - Der Blutschwur

Titel: 0532 - Der Blutschwur
Autoren: Jason Dark
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fühlte sich leicht wie ein Vogel.
    »Ihr Blut und sein Blut… ihr Blut und sein Blut …« Die anderen Mitglieder des Geheimbundes wiederholten permanent den Satz.
    Sie kannten das Ritual bereits, heizten es durch ihre dumpf gesprochenen Worte an und sorgten dafür, daß es sich dem Höhepunkt näherte.
    Der Dekan wartete haargenau den Zeitpunkt ab.
    Dann drückte er die Klinge nach vorn.
    Der Schmerz riß Dunja wieder zurück in die Gegenwart. Es war kein schlimmes Gefühl, eher beißend, wie ein Blitzen oder kurzes Reißen in der geschlossenen Hautpartie. Ein kleiner Spalt war entstanden, aus dem es dunkelrot hervorquoll.
    Ihr Blut!
    Auch ihr Lebenssaft bewegte sich nach unten, quoll über die Gesichtshaut hinweg, wurde aber von der Klinge aufgefangen, die der Dekan sofort schräg hielt, damit es dort hinrinnen konnte, wo sich sein Blut befand. Da sollte es sich vermischen.
    Er war zurückgetreten. Dunja kniete noch immer. Sie wagte es nicht, ein Tuch aus der Tasche zu holen, um die Wunde an der linken Wange abzutupfen. Sie sah auch nicht, was geschah. Die anderen aus der Gruppe bekamen es um so deutlicher mit, weil der Dekan die Klinge so hielt, daß jeder auf sie schauen konnte.
    Zwei verschiedene Blutsorten bewegten sich aufeinander zu. Die Distanz verringerte sich von Sekunde zu Sekunde, bis die beiden Blutarten es geschafft hatten, in Kontakt miteinander zu treten.
    Sie berührten sich, sie flossen ineinander und vermengten sich dabei. Es kam zu einer Reaktion, für die es schwer war, eine Erklärung zu finden, weil es normal nicht stattfand.
    Kaum hatten sich die verschiedenen Blutsorten miteinander vermengt, als sie aufzischten, als wären sie auf eine heiße Herdplatte getropft. Es blieb nicht beim Zischen, durch die Reaktion entstand auch ein Dampf oder Nebel, der nicht nur über dem Blut schwebte, sondern auch über der Klinge.
    Der Dekan kippte den Dolch. Jeder schaute zu, wie die beiden Blutsorten der Spitze entgegen rannen und dabei einen feinen Nebelstreifen hinter sich herzogen.
    Normalerweise hätten sie zu Boden tropfen müssen, einfach der Gravitation gehorchend, das geschah nicht. Als sie die Spitze erreichten, waren die beiden Blutsorten plötzlich verschwunden, als wären sie in das Metall eingedrungen.
    Das stimmte auch.
    Die Dolchklinge hatte das Blut des jungen Mädchens geschluckt und ebenso das des Dekans.
    Er nickte Dunja zu. Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Jetzt gehörst du zu uns, Dunja. Jetzt ist der Bund geschlossen, das Band geknüpft, und niemand wird es mehr trennen können, auch nicht der Tod, denn ihn zu erreichen, wird von nun an dein oberstes Ziel sein. Hast du verstanden?«
    »Ja, ich habe dich verstanden!«
    »Du kannst aufstehen, Dunja.«
    Sie erhob sich wie eine gichtkranke, alte Frau. Ihr Gesicht war mit einem Schweißfilm bedeckt. Endlich traute sie sich an die Stelle zu fassen, wo das Messer in ihre linke Wange geschnitten hatte. Sie fühlte die Haut, aber kein Riß darin und auch kein feuchtes Blut, das noch nachtropfte. Die Wunde hatte sich geschlossen.
    »Bist du zufrieden?« fragte der Dekan.
    »Ich danke dir.«
    »Dann sollen die anderen dich auch so willkommen heißen, wie es bei uns üblich ist.«
    Sie hatten schon auf diese Aufforderung gewartet. Es gab keinen, der noch auf seinem Platz stehengeblieben wäre. Den Anfang machte Goran. Er kam wuchtig auf sie zu, nahm Dunjas gesamtes Blickfeld ein, dann spürte sie seine Arme, die über ihren Körper glitten, nach ihrem Busen tasteten, und sie sah seinen Kopf mit dem grinsenden Mund, dessen Lippen die ihren trafen.
    Noch vor einer halben Stunde wäre sie zurückgezuckt. Nun aber machte es ihr nichts aus, von den kalten Lippen geküßt zu werden.
    Goran hauchte ihr noch etwas ins Ohr. »Diese Nacht ist noch nicht zu Ende, Dunja. Wir werden noch miteinander schlafen, auch das ist bei uns so Sitte.«
    »Wenn du meinst…«
    »Sicher meine ich.« Er ließ sie los und trat wieder zurück, damit die anderen zu ihr gehen konnten.
    Ein jeder gratulierte ihr.
    Sie kannte die Namen der jungen Männer und Mädchen, flüsterte sie und hieß jeden von ihnen mit ausgestreckten Armen willkommen. Erst als dieses Ritual vorbei war, kam sie wieder zu sich selbst und erkannte, daß sich etwas verändert hatte.
    Der Dekan war in der Zwischenzeit gegangen und hatte etwas Bestimmtes geholt.
    Es war ein schwarzer Schwan!
    Bisher hatte Dunja davon nur gehört, wenn die anderen flüsternd von ihm erzählten. Sie
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