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053 - Der steinerne Dämon

053 - Der steinerne Dämon

Titel: 053 - Der steinerne Dämon
Autoren: John E. Muller
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ihre vor Schreck erstarrten Gliedmaßen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Dann merkte sie, was sich verändert hatte. Sie spürte einen kühlen Luftzug. Mit letzter Kraft brachte sie es fertig, taumelnd zum Fenster zu wanken.
    Was sollte sie tun? Wenn tatsächlich jemand in ihrem Zimmer war, hatte sie keine Zeit mehr, Schlösser und Riegel zu öffnen. Ruhe! dachte sie. Was hatte Dr. Bollinger noch gesagt? Sehr groß, stark, männlich und häßlich. Hatte er auch gesagt, daß er gefährlich sei?
    Sie zitterte, während sie nur eine Armlänge von den sich bewegenden Vorhängen entfernt stand. Wurden sie vom Wind bewegt? Sie kam sich vor wie eine Märtyrerin, die zum Tode verurteilt ist.
    Schließlich schlug sie den Vorhang zur Seite. Das Fenster stand tatsächlich offen. Warum hatte sie sich nicht vorher überzeugt, daß das Gitter richtig geschlossen war? Aber sie war der Meinung, sie hätte es getan; jetzt schwang es jedoch lose hin und her.
    Plötzlich krachten die Vorhänge mitsamt den Schienen neben ihr auf den Boden. Sie schrie auf, als ein riesiges, haariges, entstelltes Geschöpf aus einer Ecke des Zimmers auftauchte. Es legte den großen, mißgeformten Kopf auf die Seite und schaute sie mit seinem einzigen Auge an.
    Lana schrie wie eine Seele im Fegefeuer und wich zurück.
    Das Wesen streckte eine riesige Pfote aus, die doppelt so groß war wie eine normale menschliche Hand. Die Finger erinnerten an die Wurzeln eines Baumes, der Armumfang glich einem Männerbein.
    Lana war erstarrt vor Schreck, während die großen, knotigen Finger ihre eine Schulter packten. Aus dem Griff gab es kein Entrinnen mehr. Lana hatte das Gefühl, in einem Schraubstock zu stecken.
    „Hör auf! Hör auf, du tust mir weh!“
    Der Griff lockerte sich etwas.
    „Verstehst du, was ich sage?“ fragte sie erstaunt.
    Sie sah in das über alle Maßen häßliche Gesicht. Das Auge beobachtete sie. Jetzt, nachdem der ärgste Schock vorüber war, schien ihr das Wesen gar nicht mehr so schrecklich. Es brummte und senkte den Kopf. Die Hand ließ sie langsam los.
    Lana wich zurück, bis die Wanduhr Einhalt gebot. Das Wesen machte nicht einmal den Versuch, sie festzuhalten. Es stand nur da und schaute sie an, wobei es seltsame Brummtöne von sich gab. Dann streckte es vorsichtig eine mißgebildete Hand aus und berührte sanft ihre Haare. Etwas wie Zuneigung sprach aus der tierisch klingenden Stimme. Sie mußte unwillkürlich an den Glöckner von Notre Dame, an Quasimodo und Esmeralda denken.
    Das Wesen schien sich von ihr angezogen zu fühlen. Sie hielt sich vollkommen still und starrte in das Gesicht des einäugigen Monsters. Dann hörte sie Klopfen und laute Stimmen vor ihrer Tür.
    „Geht es Ihnen gut, Miß? Miß Davis, ist alles in Ordnung?“
    Das Klopfen wurde lauter. Das Wesen begann aufzuhorchen. Es knurrte und das Auge blitzte wütend. Dann wandte es sich der Tür zu und schlug mit einer riesigen Hand dagegen.
    „Er ist hier drinnen!“
    Sie hörte die Stimme eines Wärters. Holz schlug gegen Holz. Schließlich brach die Stahltür auf und warf die Kreatur zurück.
    Im Türrahmen, zwischen den hin und her pendelnden Angeln, stand
    Dr. Bollinger. Er hatte eine kurze, gefährlich aussehende Nilpferdpeitsche in der Hand. Seine Augen glühten, und seine Stimme klang laut und ärgerlich.
    „Zurück, Nummer Siebzehn! Zurück!“
    Die Wärter und Pfleger standen hinter dem Doktor.
    Das Monster schlug ein paarmal in die Luft. Sein Auge starrte mit einer Mischung aus Furcht und Ohnmacht Dr. Bollinger an. Dann klatschte die Nilpferdpeitsche auf den Rücken des Wesens. Es stöhnte auf.
    Lana hatte unerklärliches Mitleid mit dem Geschöpf, das in ihr Zimmer eingebrochen war.
    „Bitte“, bat sie, „ich glaube nicht, daß er etwas Böses tun wollte.“
    Die Peitsche krachte erneut auf den Rücken von Nummer Siebzehn.
    „Zurück in dein Zimmer, Nummer Siebzehn!“
    Das Wesen hielt die Hände vor das eine Auge, wie um es zu schützen.
    „Bitte, schlagen Sie ihn nicht mehr!“
    Dr. Bollinger schaute wütend das Mädchen an. „Ich bin der Leiter dieses Heimes, Miß Davis. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das nicht vergessen würden. Sie wissen nichts über die Insassen. Ich versichere Ihnen, daß Ihre Sicherheit und meine Autorität von strengster Disziplin abhängen.“
    Die Peitsche sauste wieder auf das Wesen.
    „Bitte!“ flehte Lana noch einmal.
    Bollinger schob sie ärgerlich zur Seite. „Smith, bringen Sie sie in ein anderes Zimmer mit
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