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053 - Der steinerne Dämon

053 - Der steinerne Dämon

Titel: 053 - Der steinerne Dämon
Autoren: John E. Muller
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meisten seiner Landsleute.
    Als Lana ihn ins Wohnzimmer führte, dachte sie daran, daß Onkel eigentlich nur eine Floskel war. In Wirklichkeit war er nicht ihr Onkel, aber er hatte sich schon, solange sie denken konnte, um sie gekümmert. Auch als sie vom Mädchen zur unabhängigen schönen jungen Frau herangewachsen war, hatte sie Onkel Tymans Rat und Hilfe, sein freundliches Gesicht und seine Besuche immer noch geschätzt.
    Er saß ihr jetzt in einem bequemen, grün- und goldgemusterten Sessel gegenüber. Seine Augen waren weit aufgerissen und die wenigen verbliebenen schwarzen Haare zerwühlt.
    „Onkel, ist irgend etwas nicht in Ordnung?“
    „Das kann man wohl sagen“, bestätigte er mit kaum vernehmbarer Stimme.
    „Was ist denn los?“
    Er schluckte. „Es gäbe so vieles, was ich dir sagen sollte, Lana. Dinge, die ich immer für mich behalten habe, weil ich dich nicht belasten wollte. Und jetzt …“
    Er verstummte, stand auf und ging zum Fenster, wo er mit hastigen, nervösen Bewegungen die Vorhänge zuzog. Wenn Lana etwas fremd an ihm war, dann war es die Angst, die jetzt in seinem Gesicht stand.
    „Du fürchtest dich“, sagte sie fast anklagend. „Vor der Polizei?“
    „Ich wollte, es wäre so. Ich würde mich sofort stellen. Zwanzig Jahre wären nichts, wenn ich damit die Aufgabe lösen könnte, die man mir aufgebürdet hat.“
    „Fühlst du dich nicht wohl, Onkel?“
    Er schüttelte den Kopf. „Ich habe zwei Tage nicht geschlafen und fast nichts gegessen.“
    „Ich richte dir was her.“
    „Dazu ist keine Zeit.“
    Lana hatte ihn noch nie so sprechen hören. Er schien zu spüren, daß sein Ton sie verletzte, und biß die Zähne zusammen. Sie konnte die Ader an seiner linken Schläfe pochen sehen.
    „Es tut mir leid.“
    Er stieß die Worte mit größter Mühe heraus.
    „Schon in Ordnung.“
    Lana gewann ihre Ruhe zurück.
    „Ich hätte dir so vieles sagen müssen. Ich bin nicht genau das, was du denkst.“
    „Wie meinst du das?“
    „Du glaubst, ich bin Geschäftsmann, Besitzer eines Cafes und eines Feinkostgeschäftes. Das stimmt zwar, aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Wenigstens eine kleine Hoffnung ist mir noch geblieben.“
    Sie schaute ihn fragend an.
    „Lana, ich habe immer für dich getan, was in meinen Kräften stand.“
    „Du warst wie ein Vater zu mir - mehr als ein Vater.“
    „Ist das deine ehrliche Überzeugung?“
    „Ja.“
    Sie wußte, daß sie jetzt ehrlich sein mußte. Normalerweise war sie weit davon entfernt, ihr Herz so auf der Zunge zu tragen.
    Er lächelte, und für einen Augenblick verschwand die Angst aus seinem Blick.
    „Dann habe ich wenigstens etwas im Leben getan, wenn ich auch an der größten Aufgabe gescheitert bin.“
    Lana schüttelte den Kopf.
    „Schau dir das an!“
    Er kramte in seiner ausgebeulten Aktentasche herum und brachte eine kleine, am Fuß zerbrochene Statue zum Vorschein.
    „Was ist das?“ fragte Lana mit gerunzelter Stirn.
    Das häßliche, verzerrte Gesicht der Figur war kaum menschlich zu nennen. Es sah böse und gemein aus. Die Statue war aus einem Stein gemeißelt, wie ihn Lana noch nie zuvor gesehen hatte.
    „Ich bin nur einer in einer langen Reihe von Wächtern“, sagte Tyman.
    „Meinst du damit die Leute, die sich um mich gekümmert haben?“
    „Ich habe damit nicht deine Wächter gemeint.“ Tyman lachte, wenn auch ohne eine Spur von Fröhlichkeit.
    „Tut mir leid, das verstehe ich nicht.“
    Er stand auf, ging zum Fenster und schaute noch einmal verstohlen hinaus.
    „Das habe ich mir gedacht. Ich kann nicht länger bleiben und muß versuchen, sie wegzulocken. Vorläufig wissen sie noch nicht, welches Haus ich betreten habe.“
    Lana erinnerte sich plötzlich an einen Film, den sie kürzlich gesehen hatte. „Schuldest du vielleicht einem Buchmacher Geld? Das will ich gern bezahlen. Ich will alles tun, um dir zu helfen. Ich lasse nicht zu, daß dich jemand verletzt.“
    „Du bist sehr lieb und sehr naiv“, antwortete Tyman. „Vielleicht wird deine Unschuld dich beschützen.“
    „Ich verstehe einfach gar nichts“, flüsterte das Mädchen noch einmal.
    „Vielleicht wirst du eines Tages verstehen. Jetzt bete nur zu Gott, daß alles gutgeht.“
    „Du mußt mir sagen, was los ist“, drängte sie.
    „Die Statue. Sie hat eine Macht, von der du nicht einmal träumen kannst. Mehr darf ich dir nicht sagen.“ Er sah die Figur mit einer Mischung aus Widerwillen und Bewunderung an. „Ich lasse sie bei dir. Hüte sie
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