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051 - Im Orbit

051 - Im Orbit

Titel: 051 - Im Orbit
Autoren: Jo Zybell
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glasigen Augen saß und vor sich hin starrte. Ein Verband bedeckte seine rechte Gesichtshälfte. Nur an seinen Lippen sah man das zerfressene Gewebe. Mit Aruulas Hilfe löste der Mann aus der Vergangenheit die Verbindungen zur ISS und schloss die Ladebucht. Nicht ohne Wehmut blickte er durch ein Fenster zu der gewaltigen Station empor, die wohl auch noch für weitere Jahrhunderte im Orbit bleiben würde - ein Monument vergangener Größe. Er musste sich fast gewaltsam von dem erhabenen Anblick losreißen.
    Der Start glückte ohne Schwierigkeiten. Die ISS blieb zurück.
    »Wohin fliegen wir?«, wollte Aruula wissen, die auf dem Sitz des Copiloten Platz genommen und sich angeschnallt hatte. Matt hatte ihr eingeschärft, keines der Instrumente zu berühren.
    »Amarillo.« Die Suche nach dieser Antwort hatte ihm einiges Kopfzerbrechen bereitet.
    »Zu Naoki und den Cyborgs?« Sie war überrascht.
    »Dort gibt es eine Landebahn, und dort gibt es vor allem so etwas wie Verbündete.« Und ein Equipment, mit dem man die beiden Speicherkristalle auswerten kann, fügte er in Gedanken hinzu. Für ihn der entscheidende Punkt.
    Ansonsten dachte Matt mit eher gemischten Gefühlen an die Wissenschaftsenklave und ihre über fünfhundert Jahre alten Bewohner, die fast sämtliche organischen Körperteile durch bionische ersetzt hatten, so wie Naoki Tsuyoshi und ihr Sohn Aiko. Irgendwie waren ihm diese »Unsterblichen« nicht ganz geheuer - vor allem nachdem Aikos Vater, der Android Miki Takeo, ihn und Aruula an General Crow ausgeliefert hatte. [4] Andererseits konnte er davon ausgehen, dass Naoki nichts von Takeos Aktivitäten wusste. Der Android hatte die Enklave schon vor vielen Jahren verlassen.
    Der erste Teil des Fluges verlief weitgehend automatisch. »Captain Ahab«, wie McKenzie/Hollyday den Bord- computer auf dem Herflug getauft hatte, steuerte die Queen Victoria in ihre Umlaufbahn und manövrierte sie an die oberste Atmosphärenschicht heran.
    »Und dann? Wie geht es weiter, wenn der Feuervogel in Amarillo gelandet ist?«, ließ sich Aruula vernehmen.
    »Wir sperren Harris ein und bitten Naoki, uns die Ausrüstung für eine Expedition an den Kratersee zur Verfügung zu stellen.«
    »Bist du von allen Göttern verlassen?!«
    Aruulas Augen blitzten. »Du willst tatsächlich ans andere Ende der Welt, dorthin, wo die Macht der grünen Kristalle am stärksten ist? Nur ein Narr begibt sich freiwillig in eine Taratzenhöhle!«
    »Ich zwinge dich nicht, mich zu begleiten«, sagte Matt so ruhig, wie er immer sprach, wenn er von einer Sache hundertprozentig überzeugt war. »Aber ich muss dorthin.«
    Ein Warnton verkündete, dass die Wiedereintrittsposition des Shuttle erreicht war. Matt beugte sich vor und schaltete die Automatik aus. Ein gutes Gefühl, die Maschine wieder selbst zu fliegen.
    Im Gegensatz zu dem Gefühl, das ihn bei dem Gedanken an die nächste Zukunft beschlich. Denn Aruula hatte zweifellos Recht: Es war ein unwägbares Risiko, den Einschlagskrater des Kometen aufzusuchen. Aber nur dort konnte er das Rätsel um die grünen Kristalle lösen - und was sie aus der Erde gemacht hatten…
    ***
    14. Juli 2013
    Welch eine Ironie: Sean Bernstein hat diese Aufzeichnungen einst begonnen, und ich, sein erbittertster Feind, beende sie jetzt. Allein zurückgeblieben in diesem Gefängnis, das ich anderen zugedacht hatte. Allein mit einem Schicksal, das ich anderen zugedacht hatte. In den letzten Wochen, seit ich nur noch von Wasser lebe, erschrecke ich manchmal bei dem Gedanken, dass es vielleicht doch so etwas wie ein höhere Gerechtigkeit geben könnte.
    Und manchmal zweifle ich an mir selbst. Also wird es Zeit zu sterben, höchste Zeit. Hatte ich mich tatsächlich in eine fixe Idee verrannt? Nein, das kann nicht sein - die Rettung der Menschheit ist keine fixe Idee.
    Jetzt, nachdem ich meinen Kampf und mein Scheitern dokumentiert habe, so ehrlich wie es mir eben möglich war, will ich auch noch auf das dunkelste Kapitel meines Lebens zu sprechen kommen.
    Wasser war nicht das Problem in den letzten Monaten. Der Oocygenium- Synthesizer funktioniert bis zum heutigen Tag, wie gesagt. Und mit ihm auch der künstliche Wasserkreislauf an Bord. Aber die Nahrungsvorräte gingen schon vier Monate nach dem Start der Atlantis II zur Neige. Der Hunger quälte mich bald heftiger als die Einsamkeit.
    So sehr ich mich beherrschte, so diszipliniert ich die schwindenden Vorrate einteilte - der Tag, an dem ich den letzten Bissen zu mir nehmen
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