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0509 - Ein Gehängter kehrt zurück

0509 - Ein Gehängter kehrt zurück

Titel: 0509 - Ein Gehängter kehrt zurück
Autoren: Jason Dark
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schrie Christiane Miller dazwischen. »Hör endlich damit auf, dich zu versündigen!« Sie hatte gesehen, wie Benny der Schreck in die Glieder gefahren war. Für ihn waren die letzten Sekunden der reinste Horror gewesen, als er die grausame Wahrheit erfahren mußte.
    Die Burton verstummte tatsächlich. Sie holte Luft, dann drehte sie sich um und rannte weg.
    Vom Gang her schallte noch ihr Schreien und Jammern. Christiane Miller war nicht in der Lage, ihre Nachbarin zu verfolgen. Erst jetzt traf sie der Schock.
    Es gab nichts an ihrem Körper, was nicht anfing zu zittern. Der kleine Raum drehte sich vor ihren Augen. Die Welt wurde zu einem Wirbel aus grauen Schatten, und es gelang ihr nicht, sich noch länger auf den Füßen zu halten.
    Sie kippte gegen die Wand. Dort fand sie einen trügerischen Halt.
    Benny sprach sie an. Er redete hastig auf sie ein, doch sie verstand die Worte nicht.
    Dann wurde sie von zwei Händen gefaßt. Jemand schaute ihr in die Augen. Sie hörte eine Stimme. »Ist alles in Ordnung, Mrs. Miller?«
    Allmählich klärte sich ihr Blick. Vor ihr stand jemand, den sie zwar kannte, der trotzdem noch ein Fremder für sie war.
    »Mr. Sinclair«, flüsterte sie. »Mein Gott – Sie?«
    ***
    Das Wetter war umgeschlagen. Fast schien es so, als stünde es mit den Kräften des Bösen in Verbindung, denn ein düsteres Gebirge aus Wolken jagte über den Himmel und nahm ihm die strahlende Herbstbläue. Der Wind war aufgefrischt und glich einem wilden Tier, das unsichtbar über der Wasseroberfläche schwebte und dafür sorgte, daß die Wellen zu gewaltigen Bergen wurden, aufwühlten und krachend gegen die Steilküsten der Scilly-Inseln krachten.
    Auch Tresco wurde nicht verschont. Immer wieder jagten die Brecher heran und schlugen vehement gegen das graue Gestein der Küsten.
    Es war ein Wetter, wie es die Bewohner der Inseln kannten, aber nicht liebten. Es kam ihnen jedesmal vor wie eine späte Rache.
    Da versteckte man sich in den Häusern, da blieben die Schiffe festgetäut im Hafen, denn die ersten Herbststürme hatten bereits in der Vergangenheit mehr als ein Opfer gekostet.
    Einer jedoch war unterwegs.
    Eine unheimliche Gestalt, ein verwestes Etwas, das zu einem Skelett geworden war.
    Es irrte über die Insel, geduckt gehend und gegen den scharfen Wind ankämpfend.
    Über seiner rechten Schulter lag Johnny Conolly. Bei jedem Schritt bewegte sich der Junge mit, dessen Arme regelrecht pendelten. Er war nicht bewußtlos, doch er stand unter einem Schock und bekam nicht mit, was man mit ihm anstellte.
    Das Skelett hielt sich an der Südspitze von Tresco Island auf. Hier war die Küste besonders steil und felsig. An dieser Stelle hatte die Natur im Laufe der Zeit ihre Spuren hinterlassen und das Gestein nach ihren Wünschen geformt.
    Es gab Buchten und schmale Zungen. Vorspringende Felsen und zurückgedrückte, die manchmal so ungewöhnliche Formationen aufwiesen, als hätte sie ein verrückter Bildhauer in einem Anfall von Wahnsinn erschaffen. Es war die Gegend, die das Skelett liebte und gleichzeitig haßte. Hierher war er damals, als er noch ein Mensch und Teufelsdiener gewesen war, verschleppt worden.
    Jetzt kam er zurück, als Gehängter, als Rächer, wie es ihm der Teufel versprochen hatte. Er würde mit all denen abrechnen, die sich so menschlich gaben, immer taten, als wären sie etwas Besonderes und andere verdammten.
    Es hätte auch einen anderen treffen können, als ausgerechnet den Jungen. Er hatte nun mal das Pech gehabt, dort zur Stelle zu sein, als das Skelett erwachte.
    »Hanging Rock« war der Felsen genannt worden, auf dem das Galgengerüst gestanden hatte.
    Direkt an der Südspitze der Insel gelegen, stand es dort wie ein Mahnmal des Schreckens.
    Manchmal blies der Wind so hart und kräftig, daß die Knochengestalt durchgeschüttelt wurde und es schwerhatte, sich fortzubewegen. Der Wind wechselte zu häufig. Mal wehte er von vorn, dann jagte er in den Rücken des Monstrums, und auch von der Seite her fiel er ihn oft genug an.
    Die Felsen boten ihm keinen Schutz mehr, weil er sich schon zu hoch befand. Er ging auf einem Plateu weiter, über das der Sturm pfiff und heulte.
    Der Blick war gut.
    Ein Mensch hätte bei klarem Wetter weit über das Meer schauen können, jetzt war es zwar auch klar, aber am Himmel türmten sich die grauen Wolkenberge zu schaurig anzusehenden Gebilden. Unter ihnen befand sich die klare Luft. Sie selbst wurden vom Sturm gehetzt wie Schafe von den sie verfolgenden
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