Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
05 - Der Schatz im Silbersee

05 - Der Schatz im Silbersee

Titel: 05 - Der Schatz im Silbersee
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
bewies, daß er diese Absicht gar nicht hegen könne, und fügte hinzu: „Die Bleichgesichter haben sich, da sie viel schwächer sind als ihr, in der Dunkelheit des Cañons nicht für sicher gehalten und sind nach dem See gegangen, wo sie glaubten, daß ihr sie nicht überfallen könnt. Der Eingang zu dem Tal ist so schmal, daß sie ihn gegen euch leicht verteidigen können; es ist euch also, vollends jetzt bei Nacht, nicht möglich, ihn zu erzwingen: aber ihr werdet ihnen in den Rücken kommen.“
    „Wie ist das möglich?“
    „Durch den Gang, von welchem ich gesprochen habe. Er mündet nur wenige Schritte von hier. Wir öffnen ihn, indem wir die Steine fortnehmen und steigen hinein. Wenn wir die Fackeln anzünden, können wir ihm leicht folgen: so gelangen wir in den Turm und steigen im Innern desselben empor, um auf die Insel zu kommen. Dort gibt es stets einige Kanus, in denen wir an das Ufer rudern. Dann befinden wir uns im Rücken der Feinde und werden sie leicht überwältigen, zumal meine Timbabatschen, sobald ich es ihnen befehle, sich auf eure Seite stellen werden.“
    „Gut! Die Hälfte der Utahs bleibt hier, und die andre Hälfte folgt uns in den Gang. Zeige ihn uns!“
    Die Utahs waren von ihren Pferden gestiegen. Das ‚Lange Ohr‘ führte sie zur Seite bis zu der Stelle, an welcher der Cañon begann. Dort lehnte ein Steinhaufen am Felsen.
    „Diese Steine müssen fort“, sagte der Timbabatsche, „dann werdet ihr die Öffnung sehen.“
    Der Haufen wurde entfernt, und es zeigte sich ein dunkles Loch, fünf Ellen breit und drei Ellen hoch. Die Häuptlinge traten hinein und fanden, als sie um sich tasteten, einen ganzen Vorrat von Fackeln, welche aus Hirsch- oder Büffeltalg gefertigt waren. Mit Hilfe der ‚Punks‘ wurde Licht gemacht. Man verteilte die Fackeln und steckte sie in Brand. Dann drang man in den Gang ein.
    Es herrschte eine dumpfe Luft in demselben, aber feucht war es nicht. Er mußte außerordentlich stark gemauert und dann sehr dick und hoch mit der Erde bestampft worden sein, daß er so lange Zeit dem Wasser des Sees Widerstand geleistet hatte.
    Um nicht allzulange Zeit dieser Luft, welche durch den Qualm der Fackeln noch verschlechtert wurde, ausgesetzt zu sein, ging man so schnell wie möglich vorwärts, bis man nach unendlich scheinender Zeit in eine weite Halle gelangte, an deren Wänden viele in Matte gehüllte Pakete aufgestapelt lagen.
    „Das muß das unterste Geschoß des Turmes, also der Insel sein“, sagte das ‚Lange Ohr‘. „Vielleicht befinden sich in diesen Packen die Schätze, von denen ich euch gesagt habe. Wollen wir nachsehen?“
    „Ja“, antwortete der ‚Alte Donner‘. „Aber lange halten wir uns dabei nicht auf, da wir uns beeilen müssen, nach der Insel zu kommen. Später haben wir mehr Zeit dazu.“
    Als man von einem der Pakete die Hülle entfernt hatte, sah man im Schein der Fackeln eine Götzenfigur goldig erglänzen. Diese eine Figur repräsentierte für sich allein ein Vermögen. Ein zivilisierter Mensch hätte vor Entzücken betrunken werden können; diese Roten blieben kalt. Man breitete die Matte wieder über den Götzen und schickte sich zum Aufstieg an.
    Es waren, wenn auch nicht ganz in Gestalt unserer Treppen, schmale Stufen gemauert, welche nach oben führten; sie boten nur für eine Person Platz; darum mußten die Roten im Gänsemarsch sich hintereinanderhalten.
    Das ‚Lange Ohr‘ stieg, mit einer Fackel in der Hand, voran. Noch hatte er die oberste Stufe dieses Geschosses nicht erreicht, so hörte er unter sich einen Schrei, welchem die Angstrufe von vielen Lippen folgten. Er blieb stehen und sah zurück. Was er erblickte, war ganz geeignet, ihn mit Entsetzen zu erfüllen. Aus dem Gang, in welchem sich noch viele, viele Utahs befanden, drang, so breit und hoch er war, das Wasser herein. Die Fackeln warfen ihre Lichtstreifen auf die dunkle, gurgelnde Flut, welche schon halb mannshoch stand und mit entsetzlicher Schnelligkeit nach oben stieg. Diejenigen, welche sich noch im Gang befunden hatten, waren verloren; das Wasser hatte sie sofort erstickt. Und die, welche noch auf den Stufen standen, waren ebenso verloren. Sie drängten vorwärts; jeder wollte sich nach oben retten; einer riß den andern fort. Man warf die Fackeln von sich, um sich mit beiden Händen verteidigen zu können. So kam es, daß es keinem gelang, auf den Stufen Fuß zu fassen. Dabei wuchs die Flut so schnell, daß sie eine Minute, nachdem der erste Schrei erschollen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher