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0491 - Die Wolfshexe

0491 - Die Wolfshexe

Titel: 0491 - Die Wolfshexe
Autoren: Werner Kurt Giesa
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erzählen, ehe sie daran dachten, auszuschwärmen und der Spur zu folgen, die der flüchtende ar Brazh hinterlassen hatte. René Khaighez, wie der Assistent sich knapp vorstellte, schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihre Geschichte nicht glauben, Zamorra«, sagte er. »Ich kenne ar Brazh seit unserer gemeinsamen Schulzeit. Er ist zwar hin und wieder ein wenig seltsam, aber er würde nie morden. Und schon recht nicht in einer so verrückten Situation.«
    Der Polizist, der die Verstärkung alarmiert hatte, redete plötzlich in bretonischer Sprache auf Khaighez ein. Offenbar sollten Zamorra und Nicole nicht mitbekommen, was er zu sagen hatte. Nur ahnten die Beamten nicht, daß Zamorra durchaus genügend brezhoneg verstand, um zu erkennen, worum es ging. Der Uniformierte bemängelte die Höhe der geknickten Zweige auf ar Brazhes Fluchtroute und war sicher, daß selbst ein gebückt laufender Mensch noch ein paar Zweige mehr hätte wegbrechen müssen! »Das hier sieht eher aus, als sei ein großes Tier geflohen. Ein Schäferhund vielleicht.«
    »Oder ein Wolf«, warf Zamorra spöttisch ein. »Oder ein Wolf«, murmelte Khaighez in bretonisch, das für lange Zeit verboten gewesen war, weil Paris glaubte, die aufsässigen Bretonen dadurch unterdrücken zu können, daß man ihnen Sprache und Kultur nahm. Sie hatten sich beides blutig zurückerobert, aber heute gab es nur noch wenige, vor allem alte Leute, die brezhoneg sprachen. Die Jungen hatten es meist gar nicht mehr gelernt -oder so wenig, daß sie es kaum anwenden konnten. Diese beiden Polizisten gehörten zu den rühmlichen Ausnahmen.
    Da erst runzelte Khaighez die Stirn. »Moment mal, Sie haben verstanden, was wir geredet haben?«
    Zamorra nickte.
    »Aber Sie sind kein Bretone.«
    Zamorra nickte wieder. »Aber das mit dem Wolf könnte stimmen, nicht wahr?«
    »Und Ihre Story widerlegen. Wo dürfen wir dann nach Detektivsergeant ar Brazh suchen?«
    Vielleicht war es ein Fehler, so vorzupreschen, dachte Zamorra. Aber jetzt konnte er auch noch einen Schritt weitergehen. »Es könnte unsere Story und die der seltsamen brutalen Morde ergänzen. Vielleicht ist ar Brazh wirklieh der Täter. Vielleicht ist er ein Werwolf.«
    Khaighez sah ihn nachdenklich an, dann schüttelte er energisch den Kopf. »Das ist der größte Blödsinn, den ich mir in meinem ganzen Leben bisher anhören durfte«, sagte er.
    »Die Cinans - sind sie nicht an Raubtierbissen gestorben?« schoß Zamorra ins Blaue. »Sahen die Wunden nicht aus wie von einem großen Hund oder von einem Wolf? Aber wie hätten Wölfe in das Haus gelangen sollen? Oder standen Haus- oder Hoftür offen?«
    »Nein«, sagte Khaighez. »Ein Nachbar hat sie gefunden. Wunderte sich, warum Monsieur Cinan noch nicht zur Arbeit gefahren war. Klingelte, schaute durchs Fenster, sah die erste der beiden Leichen. Tja, und die zweite fanden wir dann.«
    »Wölfe schließen Türen nicht wieder hinter sich ab, wenn sie gehen«, sagte Zamorra. »Werwölfe könnten das durchaus.«
    »Es könnte sich auch ein perverser Killer eine Waffe besorgt haben, die Wunden reißt, wie es Wolfszähne tun«, gab Khaighez zu bedenken.
    »Dann müßte er sich aber ziemlich sicher fühlen, und er müßte zum Bekanntenkreis der Cinans gehören. Außerdem gibt es das Wolfsrudel. Sogar die Zeitungen haben sich damit befaßt.«
    Der Kriminalassistent winkte ab. »Zamorra, wir wissen doch alle, daß das nur dummes Gewäsch ist. Es gibt hier weder normale Wölfe noch Werwölfe.«
    »Wenn Sie das sagen, muß es wohl stimmen«, ächzte Yann-Daq Plouder und warf ihnen den Werwolf vor die Füße.
    ***
    Etwas zwang Mireille Larchant dazu, aus dem Fenster zu sehen. Nicht zur Straße hin, sondern zum Garten. Von dort aus hatte sie einen weiten Blick über das Land, und auf einem flachen Hügel sah sie den meneur des loups.
    Das Wolfsrudel scharte sich um ihn. Ganz kurz nur sah Mireille ihn, aber ebenso, wie etwas Unsichtbares sie dazu gebracht hatte, gerade jetzt einen Blick aus diesem Fenster zu tun, sagte ihr das Unsichtbare auch, daß der meneur des loups sie zu sich rief. Schließlich hatte sie ja schon vor Tagen gespürt, daß er zurückgekehrt war in die Welt der Menschen, nach so vielen Jahren.
    Damals war sie fünfzehn Jahre jung gewesen.
    Jetzt - hundertfünfzig…
    Sie wunderte sich nicht darüber, daß ihr Vater dem Ruf ebenfalls folgte. Noch vor ihr verließ er das Haus, durchschritt den Garten und stiefelte ins freie Land hinaus. Mireille hatte Mühe, ihm zu
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