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049 - Der Android

049 - Der Android

Titel: 049 - Der Android
Autoren: Claudia Kern
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unwillkürlich zurück. Er dachte an den Tresor, den er im Keller seines Elternhauses gefunden hatte, angefüllt mit Relikten aus einer vergangenen Zeit. In diesem Moment hatte er sich einsamer und fremder als jemals zuvor gefühlt.
    Riverside, das erkannte Matt jetzt, war wie ein Anker gewesen, der ihn mit der alten Welt verband. Auch wenn es unsinnig gewesen war, hatte ein Teil von ihm gehofft, durch die Reise zu dieser Stadt nicht nur den Kontinent, sondern auch die Zeit zu überwinden.
    Die Hoffnung hatte sich nicht erfüllt. Er hatte keine Trutzburg der Zivilisation gefunden, keine saubere amerikanische Vorstadt, in der man Sonntag Nachmittags zum Baseball ging und mit seinen Nachbarn über Benzinpreise diskutierte. Nur Ruinen, Gestrüpp und Trümmer.
    Mom, Dad, Liz…, dachte er im Halbschlaf. Sie sind alle tot, seit fünfhundert Jahren.
    Matt spürte, dass er in jenem Keller nicht nur seine Hoffnung auf Seelenfrieden, sondern auch einen Teil seiner selbst verloren hatte. Etwas hatte sich in ihm verschlossen, aber er wusste nicht, was es war.
    Der Druck der Finger verschwand von seinem Rücken. Matt öffnete die Augen und setzte sich auf. »Danke«, sagte er zu Kiri. »Das war die beste Massage, die ich je hatte.«
    Die junge Asiatin lächelte scheu und zeigte dann auf Aruula, die friedlich schlafend auf einer zweiten Holzbank lag. »Soll ich sie wecken und mit der Massage beginnen?«
    Matt schüttelte den Kopf. »Nein, lass sie schlafen. Sag ihr nur bitte, dass ich zum Haus zurückgegangen bin, wenn sie aufwacht.«
    Er hatte nicht vergessen, wie erschöpft Aruula während des Flugs gewirkt hatte. Sie benötigte Schlaf jetzt dringender als eine Massage. Seine eigene Müdigkeit lag wie Blei auf seinen Augenlidern, und er ertappte sich bei dem Gedanken, wie schön es wäre, einfach zurück auf die Holzbank zu sinken und einzuschlafen.
    Stattdessen stand er auf und zog den Kimono an, dem man ihm während der Reinigung seiner eigenen Kleidung gegeben hatte. Sogar seine Stiefel waren von Dienern entfernt worden. Auf seine Frage hatten sie nur geantwortet, in der Siedlung brauche man keine Schuhe.
    »Soll dich ein anderer Diener zurück zu deinem Haus begleiten?«, fragte Kiri, während sie die Schiebetür öffnete.
    »Ich finde den Weg schon.« Matt unterdrückte ein Gähnen, erwiderte Kiris Verbeugung und trat hinaus auf die hölzerne Veranda. Takeo schien seine gesamte Siedlung im japanischen Stil gebaut zu haben, inklusive der Futons auf dem Boden und den niedrigen stuhllosen Tischen. Nur bei den Hauswänden hatte er auf das klassische Papier verzichtet und milchig weißes Glas eingesetzt. Matt nahm an, dass damit die Privatsphäre der Bewohner geschützt werden sollte.
    Kiri hatte ihm erklärt, wie wichtig Höflichkeit und Diskretion im Dorf waren. Niemand sprach einen anderen an, wenn aus dessen Mimik nicht eindeutig hervorging, dass ein Gespräch erwünscht war. Vor allem die Diener, die man an ihren weißen Kimonos erkannte, kamen nie direkt auf ihren Herrn zu, sondern warteten, bis der ihnen einen Befehl gab. Matt hätte Kiri gerne gefragt, ob die Diener Sklaven waren, aber er befürchtete, damit eine Indiskretion zu begehen.
    Mit einem erneuten Gähnen trat er auf die hellen Steinplatten, die zu dem Haus führten, in dem er und Aruula wohnten. Sie fühlten sich warm unter seinen nackten Fußsohlen an.
    Ich fasse es nicht, dachte er überrascht. Der Weg ist beheizt.
    Langsam ging er weiter, während seine Gedanken darum kreisten, wie Takeo das alles finanzierte. Beim An- flug auf die Siedlung hatte er nur parkähnliche Flächen gesehen, keine Felder oder Weiden wie im Rest des Tals. Es schien keine Geschäfte zu geben, keine Handwerker, nur die kleinen, versteckt liegenden Häuser mit ihren diskreten Bewohnern.
    Die Steine wärmten Matt und nahmen der winterlichen Luft ihre Schärfe. Er hörte Vögel in den Bäumen singen und das Plätschern eines kleinen, völlig natürlich aussehenden Wasserfalls. Irgendwo lachte eine Frauenstimme.
    Matt blieb stehen. Trotz der Müdigkeit reizte das Lachen seine Neugier, denn bis jetzt hatte er nur einige Worte mit Kiri gewechselt, aber mit niemandem sonst.
    Es wird wohl niemand was dagegen haben, wenn ich mal Guten Tag sage, rechtfertigte Matt seinen Entschluss und verließ den Weg. Das nasse Gras ließ ihn frösteln, als er sich zwischen die Bäume bewegte.
    Er hatte von Aruula gelernt und bewegte sich längst nicht mehr so ungeschickt wie früher in der Natur.
    Das
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