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049 - Der Android

049 - Der Android

Titel: 049 - Der Android
Autoren: Claudia Kern
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Blick seiner Augenimplantate sah Matt nur die distanzierte Kälte einer Maschine. Was in Takeos Innerem vorging, blieb ihm verborgen.
    Trotzdem nickte er dankend. Die Blessuren, die er sich im gestrigen Kampf zugezogen hatte, waren noch nicht verheilt, und auch Aruula konnte ein wenig Erholung gebrauchen. Er hatte auf dem Flug bemerkt, wie erschöpft sie war.
    Es gibt keine Zäune, keine Mauern und nur vier Bewaffnete, dachte er. Was kann uns da schon passieren?
    Wie schon so oft irrte er…
    ***
    Takeo blieb zurück, während ein Diener Drax und Aruula zu ihrer Unterkunft begleitete. Er unterdrückte einen plötzlich aufsteigenden Ärger, als er sah, dass Drax nicht auf dem Weg, sondern durch das sorgfältig geschnittene Gras ging. Nur weil er ein Gast war, verzichtete er auf eine Zurechtweisung. Stattdessen wandte er sich ab und zoomte Aikos Gesicht näher zu sich heran.
    »Ich bin froh, dass du mich gefunden hast, Aiko-chan«, sagte er auf Japanisch. »Ist deine Mutter wohlauf?«
    »Ja, Takeo-san, sie…« Aiko runzelte die Stirn und fuhr auf Englisch fort:
    »Entschuldige, Vater, einige meiner Zusatzspeicher wurden beschädigt. Meine Sprachkenntnisse sind leider auch davon betroffen.«
    Takeo legte den Kopf schräg, eine Geste, mit der er Überraschung und Neugierde ausdrücken wollte. Da sein Gesicht keine Mimik besaß, blieb ihm nur die direkte Körpersprache, um seine Äußerungen zu unterstützen. »Du hast auch dein Gehirn elektronisch verbessert?«, fragte er.
    »Nur erweitert, Vater. Es ist immer noch organisch. Außerdem verfüge ich über optische Verstärker, die ebenfalls ausgetauscht werden müssen.« Er lächelte. »Im Moment fühle ich mich wie ein halber Mensch.«
    Takeo verstand die Doppeldeutigkeit und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich habe genügend Chips vorrätig. Es würde mich freuen, sie dir zu implantieren.«
    Er sah die Erleichterung in Aikos Augen, als der ihm beinahe über- schwänglich dankte. Mein Sohn , dachte er und ließ das unvertraute Wort in seinen Gedanken kreisen.
    Achtzig Jahre waren vergangen seit dem Tag, an dem er Naoki zum Abschied ein Reagenzglas mit seinem Sperma überreicht hatte, aber Aiko sah aus, als wäre er noch keine fünfundzwanzig. Er war mittelgroß und hatte die Figur eines Marathonläufers. Takeo wusste, dass er neben ihm wie ein Koloss wirkte.
    Sohn . Das Wort stand immer noch vor seinem geistigen Auge, als warte es darauf, mit einem Gefühl verbunden zu werden. Stolz, Zuneigung, Freude - all das wären natürliche Reaktionen gewesen, doch Takeo spürte nichts davon. Da war nur eine leichte Unsicherheit und der irrationale Eindruck, längst Vergangenes wieder gutmachen zu müssen.
    In den letzten Jahrzehnten hatten sich seine Emotionen so stark zurück- gebildet, dass viele von ihnen nicht mehr als Worte waren. Nur Ärger empfand er immer noch klar und deutlich, vielleicht weil sein Gehirn damit die stärksten Erinnerungen verband.
    Takeo schaltete seine Augenim- plantate auf Weitwinkel um und betrachtete Aiko, der mit erhobenem Kopf und festen Schritten neben ihm her ging. Die Haut an seinen Armen war blutig und verkrustet, aber er zeigte keine Anzeichen von Schmerz. Naoki schien ihn zur traditionellen japanischen Selbstdisziplin erzogen zu haben. In Gedanken verneigte er sich vor ihr.
    »Aiko«, sagte er dann. »Ich möchte, dass du dich jetzt ausruhst. Heute Nachmittag werde ich dann die Operationen an dir vornehmen.«
    »Ich danke dir, Vater.«
    Takeo nickte und wandte sich ab. Einen der Kampfroboter ließ er als Aikos persönlichen Diener zurück, die anderen folgten ihm tiefer in den Park hinein.
    Am liebsten hätte er die nächsten Stunden damit verbracht, sich die Geschichte seines Sohns und die seiner beiden menschlichen Begleiter anzuhören, aber das hatte Zeit. Im Moment musste er sich auf einen anderen Bereich seines Instituts konzentrieren auf wichtige Geschäfte und hohe Gäste…
    ***
    General Crow saß auf einem Felsen, den Rücken fest gegen den kalten Stein gepresst. Seine Augen waren geöffnet und blickten auf einen Punkt, der in weiter Ferne zu liegen schien.
    »Die Kriegsführung«, rezitierte er aus dem Gedächtnis, »ist die Kunst der Täuschung. Daher musst du unfähig erscheinen, wenn du fähig bist, ruhend, wenn du dich bewegst, fern, wenn du nah bist. Wenn deine Gegner im Vorteil sind, verlocke sie; wenn sie verwirrt sind, greife an; wenn sie zahlreich sind, bereite dich vor; sind sie stark, umgehe sie. Sind sie wütend,
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