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0486 - Die Voodoo-Hexe

0486 - Die Voodoo-Hexe

Titel: 0486 - Die Voodoo-Hexe
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Filzdeckel kommt mir nicht auf die Hirnschale. Der macht nur unnötig alt.«
    »Ich sprach nicht von einem Filzdeckel europäischer Art, sondern von einem richtigen Hut, einem Stetson mit breiter Krempe. Unterm Hut regnet’s nicht, mein Lieber.«
    »Dann halten mich doch alle für J.R. Ewings jüngeren Bruder«, brummte Zamorra. »Solche Extravaganzen kann sich Tendyke erlauben, aber…«
    »Ich werde jedenfalls künftig besonders bei diesem Schmuddelwetter gut ›behütet‹ sein«, verkündete Nicole.
    Sie verließen das Bad. Die Tür zum Wohnzimmer stand weit offen, und der Ruf »Ich bin hier« leitete sie zu Desiree Colon. Zamorra sah sich in Korridor und Wohnzimmer um. Alles wirkte völlig normal. Nichts deutete darauf hin, daß sich die junge Frau mit Okkultismus befaßte. Eine Sitzgruppe, ein antiker Schrank, eine Fensterbank voller Blumentöpfe und Nippesfigürchen, Fernseher, Videorecorder, ein älteres Telefonmodell, auf dem Tisch ein benutzter Aschenbecher, an den Wänden ein paar surrealistische Bilder und ein Bücherregal mit Liebesromanen und hochgeistiger Literatur. Es paßte zwar alles nicht so richtig zusammen, kam Zamorra aber recht normal vor.
    Desiree Colon sah ebenfalls recht normal aus. Sie mochte Mitte der Zwanzig sein, besaß langes, dunkles Haar und war recht leger gekleidet. Sie trug etwas Schmuck, aber keinen Verlobungs- oder Trauring. Mit raschen, routinierten Bewegungen plazierte sie Untersetzer, Gläser und Ge-Iränkeflaschen sowie eine Schale mit Knabbereien auf dem Tisch. »Kaffee habe ich aufgesetzt«, teilte sie mit, »aber der dauert noch ein paar Minuten. Bitte, bedienen Sie sich. Sie haben mich wohl recht schnell gefunden; ich dachte nicht, daß Sie bereits jetzt hier auftauchen. Herzlich willkommen.«
    Schnell entstand eine lockere Plauderei. Zamorra gab offen zu, daß er erst durch Nicoles Fernsehsendung auf Desiree Colon aufmerksam geworden war. Obgleich er über die vielleicht umfangreichste Sammlung verfügte, was Okkultismus, Magie, Parapsychologie und alles Artverwandte betraf, hatte er bisher von Colon weder etwas gehört noch gelesen. Und nun sah er in der Wohnung auch nichts, was auf Voodoo hindeutete. »Trotzdem haben die Fernsehleute sich an Sie gewandt. Warum ausgerechnet an Sie und nicht an Wissenschaftler?«
    Während er sprach, nahm sie eine Zigarette aus der Packung und setzte sie in Brand. Sie lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und blies den Rauch gegen die Zimmerdecke. »Sie haben nur einen Teil der Sendung gesehen, nicht wahr? Sonst wüßten Sie, daß man sehr wohl Wissenschaftler bemüht hat. Aber natürlich, um alles ins Lächerliche zu ziehen, wie man es ja auch bei Wünschelrutengängern und anderen gern macht. Ich durfte auch nicht alles sagen, was ich sagen wollte. Ich bin nicht einmal sicher, ob die Leute mich wirklich für eine Voodoo-Anhängerin hielten oder nicht. Sie gaben mir Geld, und ich habe mich interviewen lassen. Einige Antworten wurden mir dem Sinn nach vorgeschrieben. Vielleicht hätten sie auch einen Nachwuchsschauspieler nehmen können. Es gin aber wohl in die Richtung, das nette Mädchen von nebenan vorzustellen, hinter dessen hübscher Larve sich eine böse Zombiehexe verbirgt. Vergessen Sie die Sendung einfach, die ist totaler Mumpitz.«
    Zamorra nickte. »Dann kommen wir zu Ihnen. Sie haben sich also wirklich mit Voodoo befaßt?«
    »Ja. Voodoo ist meine Religion. Und ich bedaure, daß sie durch Sendungen wie diese oder auch durch schlechtgemachte Horrorfilme, die nur niedere Instinkte ansprechen, immer wieder in Verruf gebracht wird.«
    Zamorra lächelte. »Ich habe leider häufig genug die Erfahrung machen müssen, daß Voodoo nicht ganz so harmlos ist, wie Sie jetzt gern den Eindruck erwecken möchten. Sicher, es ist eine Religion. Aber Voodoo hat auch eine dunkle Seite. Das müßten Sie wissen. Und die von Ihnen erwähnten Filme zeigen auch von dieser dunklen Seite nur den publikumswirksamen Teil.«
    »Sie sind also orientiert«, sagte Colon.
    »Überrascht Sie das?«
    »Ja. Sie sind Professor, also Wissenschaftler. Aber die Wissenschaft will immer nur erklären, selbst wenn diese Erklärungen völlig verkrampft und an den Haaren herbeigezogen, manchmal sogar falsch sind.«
    »Die Parapsychologie gehört nicht zu den sogenannten ›exakten Wissenschaften‹, auf die Sie jetzt anspielen«, erwiderte Zamorra. »Ich wäre kaum aufgrund dieser Sendung zu Ihnen gekommen, wenn ich Voodoo nicht ernst nähme. Was sollte
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