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0475 - Der Drache der Zeit

0475 - Der Drache der Zeit

Titel: 0475 - Der Drache der Zeit
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Kreolin sah Julian ernst an.
    »Sorgen?« fragte er geistesabwesend.
    »Hör mir zu!« verlangte sie und rüttelte ihn. »Hör mir endlich zu, Julian!«
    »Ich höre doch«, erwiderte er. Er löste seine Hand vom Schwertgriff. Aber da war immer noch das andere Bild, das stärker wurde und Angelique zu verdrängen versuchte, und dieses andere Bild, das wußte er mittlerweile, würde ihn so lange bedrängen, bis er ihm nachgab. Aber er wollte nicht nachgeben. Er wollte sich nicht von etwas zu einer Handlung zwingen lassen, das er weder sehen noch begreifen konnte. Was steckte dahinter, wer sendete ihm dieses Bild? Und warum ausgerechnet ihm?
    Merlin stand jetzt noch näher am Abgrund. Immer wieder flirrten Blitze aus seinen Händen und umflorten den Drachen, aber sie konnten nichts gegen ihn ausrichten. Deutlicher ließ sich die Hilflosigkeit des mächtigen Zauberers nicht darstellen. Die Geister, die er rief, wurde er nicht wieder los…
    Aber welche Geister ?
    »Ich bin dir in diese Einsamkeit gefolgt«, drangen Angeliques Worte in seine Gedankenwelt ein. »Ich bin dir ins tibetische Hochland gefolgt, weil ich an deine Liebe glaubte, und weil ich mich auch von dir angezogen fühlte. Aber mittlerweile muß ich befürchten, daß du nur dich selbst liebst.«
    »Wie meinst du das?« fragte er betroffen. Krampfhaft versuchte er, die beiden sich gegenseitig überlagernden Bilder voneinander zu trennen und sich auf Angelique zu konzentrieren. Aber es gelang ihm nicht völlig. Vielleicht würde er wieder einer seiner Traumwelten erschaffen müssen, um darin Ruhe zu haben. Dabei hatte er sich doch fest vorgenommen keine Traumwelten mehr zu erzeugen! Zumindest solang nicht, bis er seiner Selbst endlich sicher war. Aber bis dahin war es noch ein langer, weiter Weg. Es war nicht einfach, sich selbst zu finden und aus sich heraus wirklich fest und stark zu werden. Dem Spielerischen den Abschied zu geben und erwachsen zu werden, ohne wirklich das Spielen zu verlernen.
    »Ich werde das Gefühl nicht los, daß du mich nur deshalb mit hierher geschleppt hast damit ich für dich sorge. Kochen, waschen, putzen. Verdammt, Julian, das ist nicht das, was ich will! Ich will mehr. Ich will dich. Ich will nicht nur eine billige Dienerin sein. Ich will, daß du mir etwas mehr vom deiner ach so kostbaren Zeit widmest. Ist das zuviel verlangt?«
    »Natürlich nicht! Ich habe nie daran gedacht, dich so zu sehen, als billige Arbeitskraft! Ich dachte immer, du tust es, weil du mir damit helfen willst.«
    »Natürlich will ich dir helfen, aber ich möchte auch ein kleines Echo spüren! Aber du irrst nur im Schnee herum oder setzt dich irgendwohin und meditierst stundenlang, während ich mich abrackere.«
    »Ich habe die Hütte gebaut.«
    »Ja. Und? Ist das alles?«
    »Ich werde künftig selbst kochen, waschen, putzen«, sagte er. »Du brauchst dich darum nicht mehr zu kümmern.«
    »Aber darum geht es doch gar nicht!« schrie sie ihn an. »Ich versauere hier in der Ödnis und der Langeweile. Himmel, ich kann nicht einmal mit dir reden, weil du dich in dein inneres Schneckenhaus zurückziehst und dich selbst finden willst, wie du es nennst. Julian, das ist dein gutes Recht, aber dann hättest du mich nicht mitschleppen dürfen. Du bist ein Egoist. Du nimmst keine Rücksicht auf mich. Ich habe hier zu sein, damit du dich wohl fühlst. Ob ich mich dabei wohl fühle oder innerlich zugrundegehe, das interessiert dich überhaupt nicht. Verdammt, stelle dir einen Roboter in die Küche!«
    »Was kann ich tun?« fragte er lahm.
    Ihr Vorwurf, ein rücksichtsloser Egoist zu sein, traf ihn - ähnliches hatte ihm vor einiger Zeit auch der Lama in dem buddhistischen Kloster gesagt, den er um Hilfe gebeten hatte. Der Mönch hat ihm diese Hilfe verweigert und ihm damit vielleicht viel mehr geholfen, als Julian es sich jetzt vorstellen konnte; aber er arbeitete daran, es zu verstehen, und dadurch wurde er zunächst noch viel stärker zum Egoisten. Er wußte nicht, was er tun konnte. Das waren Erfahrungsaspekte, die ihm einfach fehlten. Er hatte zu schnell gelebt. Eine körperliche und geistige Entwicklung von rund achtzehn Jahren hatte bei ihm innerhalb von etwa zwölf Monaten stattgefunden. Er war ein magisches Wesen, er war das Telepathenkind. Das Wesen, vor dem sich die Hölle immer noch fürchtete.
    Der menschliche Aspekt vor allem der zwischenmenschliche, war dabei nicht zum Tragen gekommen. Wie hätte er sich auch auf andere Menschen einstellen können, wo er
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