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0472 - Der Tiefsee-Teufel

0472 - Der Tiefsee-Teufel

Titel: 0472 - Der Tiefsee-Teufel
Autoren: Werner Kurt Giesa
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wenn sie nur ein wenig aufmerksamer gewesen wären. Motobos Herz schlug wie rasend, und er fürchtete sich vor dem Moment, wo die weißen Teufel sich daran erinnerten, daß das Dorf einen Zauberer besaß. Dann würden sie die gesamte Umgebung niederbrennen, wie sie es mit dem Dorf getan hatten. Denn sie fürchteten Zauberei.
    Motobo war kein guter Zauberer.
    Er hatte nicht vorausgesehen, daß die Weißen Teufel kamen. Er hatte sein Volk nicht darauf vorbereiten können. Plötzlich waren sie da gewesen, mit diesem riesigen Schiff, das sie alle zuerst für ein See-Ungeheuer gehalten hatten, das von den Meergeistern gesandt worden war, aber dann hatte dieses Ungeheuer Wesen ausgespien, die wie Menschen aussahen, die aber teilweise aus Metall bestanden und die aus dicken Rohren den donnernden Tod schenkten, begleitet von Rauch und Feuer. Sie schwangen lange und fingerdünne Messer, und sie hieben mit Äxten aus Metall Köpfe vom Rumpf.
    Motobo war dem Massaker entkommen.
    Er war stumm geflüchtet. Er hatte nicht einmal schreien können, so groß war sein Entsetzen, als die weißen Teufel in ihren bunten Gewändern, die große Teile ihres Körpers bedeckten, heranstürmten. Sie mußten reich und mächtig sein, denn viele von ihnen hatten Oberkörper aus Metall, an dem die wenigen Pfeile abprallten, die die überrumpelten Krieger noch abschießen konnten; und die Speere zerbrachen an dem Eisen. Die weißen Teufel metzelten die Krieger erbarmungslos nieder. Dann erschlugen sie die Alten, die längst zu schwach waren, zu kämpfen, und sie fielen über die Frauen her und mißbrauchten sie. Dabei palaverten und lachten sie in einer Sprache, die kein Wahrer Mensch verstand. Sie lachten! Sie mordeten und sie lachten dabei! Sie ergötzten sich an den verzweifelten Schreien der Frauen, mordeten sie, wenn sie versuchten, sich zu wehren. Verwundeten Kriegern schnitten sie die Kehlen durch, statt sie genesen zu lassen, um ihnen die Chance eines ehrenvollen Todes im Kampf zu gewähren. Sie waren ehrlos, die weißen Teufel.
    Aus dem Metall, aus welchem ihre Waffen und Teile ihrer Körper bestanden, waren auch die Ketten, mit denen sie Knaben und Jünglinge aneinander fesselten. Auch die jungen und schönen Mädchen wurden so gefesselt. Sie wurden in das riesige Ungeheuer-Schiff gebracht, dessen mächtige Hörner steil in den Himmel ragten, an denen bei der Ankunft gewaltige Flughäute gehangen hatten, welche jetzt aber zusammengefaltet waren.
    Motobo hatte seine Freunde sterben gesehen. Ihre Körper lagen in der Sonne und begannen zu verwesen. Ihre Geister würden auf alle Zeiten unruhig durch den Himmel irren und keine Heimat mehr finden, denn es gab niemanden mehr, der das Ritual vollziehen konnte, das ihnen die Ruhe gab. Motobo, der letzte in seinem Dorf, konnte es nicht allein. Er brauchte die beiden Häuptlinge, und er brauchte die Macht der Gesänge. Er allein war zu stimmschwach. Er war allein, er konnte die Vielfalt nicht ersetzen, die nötig war.
    Er haßte die weißen Teufel.
    Längst waren die Hütten verbrannt. Und als sei dies noch nicht genug des Übels, plünderten die weißen Teufel das Heiligtum!
    Da wußte Motobo, daß es mehr als eine Prüfung der Götter war, die die Wahren Menschen nicht bestanden hatten. Die weißen Teufel konnten nicht von den Göttern gesandt sein, um die Wahren Menschen für ein ihnen nicht einmal bewußtes Vergehen zu züchtigen. Denn dann hätten sie sich niemals am Heiligtum vergriffen.
    Sie plünderten es!
    All das glänzende Göttermetall, all die Schätze und Bilder der Götter, brachten sie in ihr großes Schiff. Und dann setzten sie auch das Heiligtum in Brand.
    Motobo weinte lautlos.
    Die weißen Teufel mußten mächtiger sein als die Götter, denn sonst hätten die Götter diese furchtbare Zerstörung doch nicht zugelassen!
    Und dann ruderten die letzten weißen Teufel mit einem Boot zu ihrem Riesenschiff zurück, und da endlich wagte Motobo sich aus seinem Versteck hervor und unter die Toten. Es roch nach kalter Asche und vergehender Glut, und es roch nach getrocknetem Blut und beginnender Fäulnis.
    Aber was nicht Motobos Nase, sondern sein Geist roch, war schlimmer: Die Ruhelosigkeit der Erschlagenen, die nie ihren Frieden finden würden.
    Verzweifelt bewegte sich Motobo zwischen den Toten. Da war die Frau, die für ihn gekocht und genäht und die seinen Teil am Feld bestellt hatte. Nie wieder würde sie ihn anlächeln, nie wieder würde sie ihm Kinder schenken. Und die anderen
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