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046 - Penelope von der 'Polyantha'

046 - Penelope von der 'Polyantha'

Titel: 046 - Penelope von der 'Polyantha'
Autoren: Edgar Wallace
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Fremde hatte sich schnell umgesehen, ob nicht irgendwo ein unangenehmer Beamter in der Nähe war, und als er sich vergewissert hatte, daß das nicht der Fall war, hielt er sie an.
    »Gehen Sie doch nicht fort, mein schönes Fräulein. Sie glauben gar nicht, wie ich mich freue, eine echte Kanadierin zu treffen. Ich bin nämlich Engländer. Können Sie mir nicht sagen, wo man hier eine gute Tasse Tee bekommt?«
    »Ich bin in Toronto gar nicht bekannt«, erwiderte sie. »Einer der Pförtner wird Ihnen sicher Auskunft geben können.« »Warum haben Sie denn so große Eile?« fragte er vorwurfsvoll. »Sie haben doch zuerst mit mir gesprochen und mich angelächelt.«
    Sie ging schnell an ihm vorbei, aber er nahm Koffer und Mantel auf, folgte ihr und holte sie ein, bevor sie noch das Bahnhofsgelände verlassen hatte.
    »Aber warum laufen Sie denn so? Sie sind doch nicht etwa beleidigt, Fräulein? Ich würde wirklich gern Ihre Bekanntschaft machen - mein Name ist übrigens Whiplow.«
    Sie blieb stehen und starrte ihn an.
    Whiplow? Das war doch der Name, den Mrs. Dorban im Schlaf erwähnt hatte. Sollte das ein Zufall sein? Der Name war doch recht selten.
    »Johnny Whiplow. Wie heißen Sie denn?«
    »Darüber fragen Sie am besten Mrs. Dorban«, entgegnete sie.
    Ihre Worte machten einen ungeheuren Eindruck auf ihn. Er verfärbte sich und sah jetzt aschgrau aus. Seine Augen traten aus den Höhlen hervor.
    »Mrs. - Mrs. Dorban?« fragte er erschrocken. »Ja, kennen Sie die Dame denn? Sie ist doch nicht etwa hier?«
    Penelope benutzte seine Verwirrung, um fortzukommen. Als Mr. Whiplow auf die Straße trat, war sie verschwunden.
    Mrs. Dorban gegenüber erwähnte sie nichts von ihrem Erlebnis. Penelope sah sie in den vierundzwanzig Stunden, die sie in Toronto verbrachten, auch nicht länger als eine Viertelstunde. Erst als sie im Zug nach Quebec saßen, sprach sie darüber.
    »Sind Sie auch sicher, daß er Whiplow hieß? Wie sah er denn aus? Ja, das muß er gewesen sein, dieser Schuft! Er konnte sich niemals beherrschen, wenn er ein hübsches Gesicht sah. Er gehört zu den Männern, die auf den Straßen flanieren, wenn die Ladenmädchen nach Hause gehen. Aber wie kommt er nur ausgerechnet nach Toronto?« Mrs. Dorban biß sich auf die Lippen und blickte düster auf die Felder hinaus, an denen der Zug vorbeieilte. »Ich glaubte, er sei in Südamerika - was macht er nur in Kanada?« Ihre Züge wurden hart, und sie kniff die Augenlider zusammen. »Hat er Ihnen noch irgend etwas gesagt, nachdem er erfuhr, daß Sie mich kannten? War es überhaupt nötig, daß Sie meinen Namen nannten? Aber es wird schon ganz gut gewesen sein. Ich bin sogar froh darüber, sonst hätte ich keine Gewißheit, daß er es wirklich war.« Dann sprach sie in ihrer sprunghaften Art von gleichgültigen Dingen.
    Als sie an Bord des Schiffes kamen, glaubte Penelope Whiplow zu sehen. Er stand oben auf dem Bootsdeck bei einer Gruppe von Passagieren und lehnte sich an die Reling. Als sie aber noch einmal genauer hinschaute, war er verschwunden, und sie sah ihn auch während der ganzen weiteren Reise nicht.
    Penelope fühlte ein wenig Heimweh, als sich das Schiff vom Land entfernte, aber sie hatte es bald überwunden. Das Leben an Bord war neu und reizvoll für sie und brachte ihr dauernd Überraschungen. Das Schiff selbst schien ihr so romantisch, und die Zukunft lag so vielversprechend vor ihr, daß ihr schon nach zwei Tagen Kanada und ihr bisheriges Leben nur noch wie ein Traum vorkamen.
    Cynthia sprach sehr wenig über ihren Mann; sie tat es nur, wenn sie direkt gefragt wurde. Es fiel Penelope auch nicht weiter auf, daß Mrs. Dorban bis nach Kanada gereist war, um eine Sekretärin zu engagieren, während doch in England Tausende fähiger Mädchen Stellung suchten. Sie sah ihr Engagement als eine liebenswürdige Großzügigkeit von Seiten Cynthias an und war ihr deshalb besonders dankbar.
    Als sie eines Tages Cynthias Kabine aufräumte -Cynthia war trotz ihrer präzisen und geschäftlichen Art in ihren persönlichen Dingen recht unordentlich und nachlässig -, fand sie ein Blatt Papier. Es war mit Bleistift beschrieben und schien der Entwurf zu einem Telegramm zu sein:
    ›Dorban, Stone House, Borcombe, England. Habe die richtige Sekretärin gefunden. Bestehe darauf, daß Willis entlassen wird. Wahrscheinlich wurde sie von Stamford Mills geschickt. Dieses Mädchen weiß nichts von dem Fall und hat keine Freunde in England.‹
    Penelope war einen Augenblick verwirrt.
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