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046 - Penelope von der 'Polyantha'

046 - Penelope von der 'Polyantha'

Titel: 046 - Penelope von der 'Polyantha'
Autoren: Edgar Wallace
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wiegte sich das goldgelbe Getreide im Wind.
    »Haben Sie in Edmonton englische Zeitungen gelesen?«
    Penelope verneinte.
    »Es tut mir leid, daß ich mich um die Zustände in England gar nicht gekümmert habe. Ich weiß wohl, wer zur Zeit Premierminister ist und was für Auseinandersetzungen die Gemüter erregen, aber sonst-«
    Mrs. Dorban erzählte nun von ihrem Heim in Devonshire, von dem prachtvollen Garten am Kliff, den herrlichen Kiefern und dem wilden, goldgelben Ginster, die auf dem Abhang wuchsen, der sich bis zu den Dünen von Borcombe hinzog. Einmal erwähnte sie zufällig auch einen Namen, den Penelope kannte.
    »Lord Rivertor? O ja, er hatte eine Farm in der Nähe der unsrigen. Das heißt, es war die Farm, die mein Vater hatte, bevor wir nach Edmonton kamen. Ich habe dort den größten Teil meines Lebens zugebracht. Aber ich habe Lord Rivertor niemals gesehen. Er starb doch im vorigen Jahr?«
    »Ich glaube.«
    Mrs. Dorban schien sich nicht weiter für den verstorbenen Earl zu interessieren. Sie wechselte das Thema plötzlich und sprach über den Wert von Ländereien und Farmen im Westen. Penelope wußte hierüber sehr genau Bescheid, denn ihr früherer Chef hatte erfolgreich mit Grundstücken spekuliert, und sie hatte seine ganze Korrespondenz hierüber geführt.
    Zwei Tage später, als der Zug noch eine Stunde von Toronto entfernt war, machte Cynthia Dorban einen unerwarteten Vorschlag.
    Penelope hörte erstaunt zu und wollte ihren Ohren nicht trauen.
    »Aber - oh, das wäre ja wundervoll! Glauben Sie, daß Mr. Dorban seine Zustimmung geben wird?«
    »Er hat schon zugestimmt«, antwortete Cynthia lächelnd.
    »Ich habe ihm von Winnipeg aus telegrafiert und die Antwort bereits in Fort William erhalten. Er ist ganz damit einverstanden, denn er kann englische Sekretärinnen nicht recht leiden. Also, Sie haben jetzt eine Stellung, Penelope.
    Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Sie mit Ihrem Vornamen anrede? Sie können mich auch Cynthia nennen, das ist mir lieber. Sehr abwechslungsreich wird es bei uns ja nicht sein, denn im Augenblick sind wir auf dem Lande begraben -«
    »Ich bin noch ganz außer mir vor Freude. Natürlich nehme ich Ihr Angebot an - das ist die Erfüllung meines Traumes!«
    Der Kanadische Expreß verlangsamte seine Geschwindigkeit, als er in Toronto einfuhr. Penelope wurde sich allmählich darüber klar, daß sie sich in achtundvierzig Stunden schon nach England einschiffen würde.

2
    Penelope war zum Bahnhof gegangen, um für den nächsten Tag Plätze im Zug nach Quebec zu belegen. Es war ein ganz gewöhnlicher Zug, aber einige Stunden nach seiner Ankunft in Quebec fuhr das Schiff ab. So kam es, daß der Zug für Penelope eine besondere Bedeutung gewann. In ihren Augen war es ein Sonderzug, der allein für sie bestellt war und auf dem vom Schornstein der Lokomotive bis zu den Schlußlichtern des letzten Wagens mit großen Buchstaben geschrieben stand: ›Penelope Pitts Sonderzug nach Europa.‹
    Der New-York-Expreß war eben eingelaufen, als sie in die Bahnhofshalle trat und zu den Fahrkartenschaltern gehen wollte. Mit geheimer Ehrfurcht betrachtete sie die bevorzugten Menschen, die aus der rätselhaften Märchenstadt kamen und gleichgültig dem Ausgang des Bahnhofs zuschritten, als ob es nichts Besonderes wäre, in dieser Weltstadt gelebt zu haben und von dort hierherreisen zu können.
    Als der Strom der Leute abebbte und nur noch einzelne Nachzügler zu sehen waren, wandte sie sich mit einem Seufzer den Schaltern zu, um die Fahrkarten zu lösen. Danach ging sie langsam wieder dem Ausgang zu. Plötzlich lächelte sie ein Herr an, und bevor sie sich darüber klar wurde, was sie tat, hatte sie ihn zurück angelächelt. Er war groß und sah gut aus. Als er zum Gruß den Hut lüftete, entdeckte sie, daß er ein wenig kahlköpfig war. Offenbar war auch er eben mit dem Expreß aus New York gekommen, denn ein Lederkoffer und ein leichter Mantel lagen zu seinen Füßen, und er sah etwas bestaubt aus, als ob er eine lange Reise hinter sich hätte.
    Sie hatte tatsächlich geglaubt, ihn zu kennen, vielleicht war er ihr in Edmonton einmal begegnet. Ihr früherer Chef hatte viele Geschäftsfreunde, und es war nicht ausgeschlossen, daß er zu ihnen gehörte.
    »Guten Tag - haben wir uns nicht schon irgendwo gesehen? Sie sind doch aus Detroit? Nein? Dann vielleicht Saint Paul? Dort habe ich viele Leute kennengelernt.«
    »Wir irren uns wohl beide«, sagte sie und wollte weitergehen. Aber der
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