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0459 - Reklame für den toten Boß

0459 - Reklame für den toten Boß

Titel: 0459 - Reklame für den toten Boß
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allzu deutlich. Er duldete keine störenden Elemente bei seiner Arbeit.
    »Ich habe noch einige Telefongespräche zu führen«, antwortete ich, »deshalb werde ich den Apparat mit nach oben nehmen.«
    »Okay, wir brauchen Ihr Telefon nicht. Wir können uns mit unserer Zentrale über Funk verständigen«, entgegnete Harrisburg.
    Ich zog den Stöpsel heraus, nahm den Apparat unter den Arm, und ging über die breite Treppe nach oben.
    Das Geländer war aus edlem Mahagoni, der Läufer echt chinesische Ware aus der Kaiserzeit. Im Gegensatz zu dem Teppich in der Diele schien er unverwüstlich.
    Ich hatte mir das Gästezimmer ausgesucht. Es war am gemütlichsten, lag neben dem Bad und war nett eingerichtet. Ein kleiner Schreibtisch, ein Bett, ein Schrank und zwei Stühle. Auch hier hingen Bilder an den Wänden, die den Pferdeliebhaber verrieten.
    Mit dem Fuß zog ich die Tür hinter mir zu, tastete mich in der Dunkelheit bis zum Schreibtisch, stellte das Telefon ab und stöpselte den Stecker in die Dose. Um festzustellen, ob der Anschluß funktionierte, hob ich den Hörer von der Gabel. Das Amtszeichen war in der Leitung.
    Einen Spalt breit öffnete ich das Fenster. Es lag nach vorn. Unter mir rotierte das Rotlicht auf dem Dach eines Polizeiwagens. Ich zog das Fenster vollständig auf und sah nach draußen. Es war bereits stockdunkel.
    Gerade als ich überlegte, welchen Anzug ich für das Pferderennen wählen sollte, schlug das Telefon an.
    Ich tastete nach dem Hörer, hob ihn ans Ohr und hüstelte.
    »Hallo, Clayton«, tönte eine glockenzarte Frauenstimme vom anderen Ende der Leitung, »hast du dich erkältet? Dabei habe ich mich so sehr auf heute abend gefreut. Die. Windsbraut' wird den ,Eros‘ vom ersten Platz wegfegen, daß es nur so eine Freude ist. Wir sehen uns doch, Darling? Hallo, Clayton, warum antwortest du nicht?«
    »Es tut mir leid, Mylady, Sie enttäuschen zu müssen«, erwiderte ich leise, »aber hier spricht nicht Clayton, sondern sein Neffe Harry Duckles.«
    »Oh, entschuldigen Sie«, piepste das Girl, »könnte ich vielleicht Ihren Onkel sprechen?«
    »Das ist nicht möglich. Sind Sie näher mit ihm bekannt?«
    »Wir sehen uns wenigstens einmal im Monat beim Viktoriarennen auf der Bahn. Er besorgt immer die Karten. Ist etwas passiert? Ist Ihr Onkel krank?«
    »Er ist plötzlich vor acht Tagen gestorben.«
    »Gestorben?« fragte sie stockend, »das kann doch nicht wahr sein. Er war doch kerngesund.«
    »Ja, es kam alles so überraschend.«
    »Dann werde ich wohl heute nicht zum Rennen gehen.«
    »Aber ich glaube, damit würden Sie Clayton keinen Gefallen tun«, entgegnete ich, »zumal er bereits Karten besorgt hatte. Ich werde auch hinkommen.«
    »Das Rennen wird mir keine Freude machen. Wenn ich komme, müssen Sie mir erzählen, wie alles so plötzlich geschehen konnte. Hat er wieder Tribüne gelöst, dritte Reihe?«
    Ich hatte die Reihe und auch die Nummer in Erinnerung und nannte die beiden Zahlen.
    »Gut, ich werde am Mittelgang vor der Reihe auf Sie warten«, sagte sie mit trauriger Stimme, »aber erschrecken Sie nicht, ich bip nicht mehr die Jüngste.«
    Ich begann in die Fußstapfen von Clayton Beach zu treten. Eine Stunde später verließ ich das Haus. Vor dem Portal wartete ein Taxi. Genau nach Gebrauchsanweisung trug ich einen mausgrauen Zweireiher mit einem gleichfarbigen Zylinder. Dazu eine dunkle Hornrandbrille, die mich um einige Jahre älter machte.
    An der Rennbahn herrschte ein Betrieb wie vor der Premiere eines Broadway-Theaters. Schon aus zehn Schritt Entfernung sah ich die Rennbahngefährtin von Clayton Beach. Es war eine schlanke Blondine mit einem Puppengesicht, das niedlich zurechtgemalt war. Sie steckte in einem engen Kostüm, das einen schmeichelnden Grauton hatte. Der Rock weitete sich unten wie ein Faltenwurf und reichte fast bis auf die Knöchel. Dazu trug sie ein Wagenrad auf dem Kopf. Sie schien von einem der besten New Yorker Modeschöpfer gekleidet worden zu sein.
    Ich ging auf sie zu, lüftete meinen Zylinder und stellte mich vor. Sie war auf ihren drei Zoll hohen Absätzen kleiner als ich. Als sie mir ihr Beileid .aussprach, versuchte sie, traurige Augen zu''machen. Aber es gelang ihr nicht überzeugend. Sekunden später, als wir unsere Plätze einnahmen, musterte sie mich unverhohlen. Vor allem die Ringe an meinen Fingern interessierten sie.
    »Übrigens, ich heiße Amalie«, hauchte sie, als wir uns setzten, »Ihr Onkel hat mich stets so genannt, und ich wünsche, daß
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