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0459 - Die Herrin der Drachen

0459 - Die Herrin der Drachen

Titel: 0459 - Die Herrin der Drachen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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dem verkrusteten, hartgetrockneten Boden einfach abprallen würde.
    Die Temperatur war nur unwesentlich gesunken; es war immer noch hochsommerlich warm, aber der Regen war willkommen.
    Schwere, graue Wolken trieben auch durch das Loire-Tal und regneten ihren Inhalt ab. Der Boden dampfte. Unten im Dorf und in den benachbarten Ortschaften wurden von den Menschen, die sich im Freien aufhalten mußten, die Regenschirme aufgespannt, und die ersten verbissenen Gesichter zeigten sich, die ersten Verwünschungen wurden laut: Der Regen war zwar bitter notwendig, aber warum ausgerechnet jetzt? Warum nicht in der Nacht, wenn ohnehin niemand draußen ist? Warum ausgerechnet dann, wenn ich draußen bin und naß werde?
    Wann war jemals ein Mensch wirklich zufrieden mit dem Wetter gewesen?
    Professor Zamorra und seine Gefährtin Nicole Duval waren es!
    Lachend tanzten sie nach einer unhörbaren Melodie nackt durch den Regen, genossen die kühlen Tropfen auf der heißen Haut, genossen den nassen Rettungsversuch einer sonnengepeinigten Natur. In diesen Momenten waren sie eins mit ihrer Umwelt, waren ein Teil der Landschaft, nahmen den Regen auf und freuten sich darüber, liebten sich bis zur Erschöpfung und waren beide sicher, selten ihr Leben so intensiv genossen zu haben wie in diesen Sekunden, Minuten, Stunden, die zu Ewigkeiten wurden.
    Sie waren draußen im Gras. Über ihnen ragte am Berghang Château Montagne auf mit seiner Schutzmauer. Unten, grau in grau, das regennasse Dorf und das silbergraue Band der Loire. Immer noch fiel Wasser vom Himmel. Zamorra lag auf dem Rücken, öffnete den Mund und trank den Regen, der ihm ins Gesicht prasselte.
    »Ob einer von denen, die mit ihrem profitorientierten Geschäftsinteresse die Welt zu regieren versuchen, jemals begreift, daß dieses Geld nicht glücklich macht, daß man es nicht essen und nicht trinken kann, und daß man so unglaublich viel versäumt, wenn man solche Momente nicht wahrnehmen kann oder will?«
    Nicole schmiegte sich an ihn, Haut an Haut. Sie küßte den Mann, mit dem sie eine gegenseitige, tiefe Liebe verband, die als Alternative nur den Tod kannte.
    »Schau dich um. Sie können es alle nicht. Wenn wir nach Feurs fahren, werden wir Dutzende und Hunderte von Leuten finden, die wochenlang unter der Sonne und der Hitze gestöhnt haben, geschrien haben, es müsse endlich Regen kommen, und die jetzt diesen so willkommenen Regen aus tiefster Überzeugung verfluchen! Auch unten im Dorf wird’s nicht anders sein.«
    Zamorra lachte leise. »Ich habe keine Lust, hinzufahren, nur um mir diese grantigen Gesichter anzusehen. Außerdem müßten wir uns dazu anziehen, und es gibt wirklich Wichtigeres.«
    »Was?« fragte Nicole.
    Zamorra lachte, faßte zu und zog Nicole auf sich. »Das«, grinste er und zeigte ihr, was er meinte. Nicole ging begeistert noch einmal darauf ein, und sie schrie vor Glück, als er ihr noch einmal mehr seine erfüllende Liebe unter Beweis stellte.
    »Ja«, flüsterte sie später erschöpft, und der Regen bemühte sich, den Schweiß von ihren Körpern zu spülen, »es gibt nichts Wichtigeres als die Liebe. Unsere Liebe zueinander. Und die Liebe zum Leben. Zu anderen Menschen.«
    Zamorra lächelte und küßte sie noch einmal, genoß ihr Erschauern. Der Regen, den sie beide bewußt hatten genießen wollen, ließ nach. Der Dämonenjäger erhob sich und half auch Nicole auf die Beine. Sie lehnte sich an ihn. »Du wirst mich stützen müssen«, behauptete sie. »Du hast mich ganz schön fertig gemacht.«
    Er lachte. »Ich werde dich tragen«, sagte er. »Weißt du überhaupt, wie lustig wir aussehen? Von Erde und Grasflecken verschmiert… ich denke, unser Weg wird zuerst unter die Dusche führen. Oder in den Swimmingpool.«
    »Den Pool«, entschied Nicole. »Schwimmen im Regen… wir hätten an die Loire hinunterfahren sollen.«
    Zamorra lachte, schüttelte den Kopf und hob seine geliebte Gefährtin auf die Arme. »Mit unserem Alkoholspiegel?«
    Die leeren Weinflaschen blieben zurück. Einer von ihnen oder der alte Diener Raffael würde sie irgendwann forträumen. Zamorra trug Nicole zurück in den Schutz der Mauern des Châteaus, und sie drehten einige Runden im Swimming-pool, der sich im hinteren Freizeitbereich des alten Gemäuers befand, das teilweise sehr modern ausgestattet war.
    »Wir sind verrückt, weißt du das?« fragte Zamorra später, als er sich auf einer Decke ausstreckte und Nicole sich wieder an ihn kuschelte, Haut an Haut, zärtlich und
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