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0455 - Der Zeit-Zauberer

0455 - Der Zeit-Zauberer

Titel: 0455 - Der Zeit-Zauberer
Autoren: Werner Kurt Giesa
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er sich nicht vorstellen. Vermutlich hätte er mit dem Begriff Waschmaschine nicht einmal etwas anfangen können, wenn man ihn ihm genannt hätte.
    Der Don erhob sich. Seine Knie waren noch schwach, und im Magen war ein recht flaues Gefühl. Aber ansonsten war er einigermaßen klar. Die Kopfschmerzen, die ihn zuweilen nach kräftigen Gelagen am Königshofe heimsuchten und die darauf hindeuteten, daß der Sonnenkönig bei fortschreitender Stunde nur noch den schlechtesten Wein reichen ließ, fehlten. Dieses scharfe Getränk - Cognac hieß es wie jene Landschaft, erinnerte Don Cristofero sich - mußte von auserlesener Qualität sein.
    »Daran, glaube ich, könnte ich mich gewöhnen«, brummte er. »Aber nicht daran, daß man mich hier halbnackt liegen läßt!« Er suchte nach der Schelle, mit der er die Dienerschaft herbeirufen konnte. Aber da war keine Schelle, und Dienerschaft war auch nicht zu erwarten, wie er sich verdrossen entsann - da gab es nur diesen recht respektlosen Lakaien, den er niedergeschlagen hatte. So wie er den alten Vogel einschätzte, kam der bestimmt nicht, wenn Don Cristofero rief.
    Don Cristofero riß eine Schranktür auf. Er hatte gehofft, dort etwas zum Anziehen zu finden, aber der Schrank war leer. Mißmutig knurrend ging er im Zimmer auf und ab, schnallte sich schließlich den Degen um. Er hatte Hunger. Man sollte ihm etwas zu essen bringen; immerhin mußte er seinen Magen vorhin restlos entleert haben. Aber wie sollte er sich bemerkbar machen? Einfach hinausgehen wollte er nicht. Er war ja nur zur Hälfte angekleidet, und auch wenn andere Leute in dieser Zeit halb- oder ganz nackt herumliefen, kam das für einen Mann seines Standes niemals in Frage. Sein Ärger wuchs und wurde zum Zorn. Plötzlich war der Drache da.
    Unwillkürlich wirbelte Don Cristofero herum und riß den Degen aus der Scheide. Aber er hatte immer noch genügend Restalkohol im Blut, um bei der schnellen Bewegung das Gleichgewicht zu verlieren. Er taumelte, stürzte und sah den Drachen mit seinem mächtigen Schwingen über sich. Er schlug mit dem Degen danach, und die Klinge glühte auf, so daß er die Waffe loslassen mußte, um sich nicht zu verbrennen. Er brüllte auf, und Klauen und Schwingen glitten durch ihn hindurch; dann wurde es um Don Cristofero schwarz. Leblos brach der Mann aus der Vergangenheit im Gästezimmer zusammen.
    ***
    Der Gnom schrie gellend auf. »Rologh, nein!« kreischte er, als er den Drachen erkannte. Er ahnte nicht, daß Rologh in diesem Augenblick überall zugleich im Château war, daß jeder den Drachen sah, auch Raffael Bois, der unter dem Eindruck der furchtbarem Echse mit ihrer grauenerregenden dämonischen Ausstrahlung zum ersten Mal merkte, wie alt er mittlerweile wirklich geworden war, und der Mühe hatte, sein Herz nicht stillstehen zu lassen. Auch Monica und Uschi Peters, die Telepathinnen, die den Eindruck hatten, eine glühende Klause schneide durch ihre Bewußtseine und wolle ihnen die Telepathen-Gabe herausreißen. Aufschreiend brach Monica bewußtlos zusammen; ihre Schwester konnte gerade noch bei Sinnen bleiben und einen Abwehrblock errichten. Sie glaubte im Feueratem des Drachen zu brennen; eine düstere schwarze Wolke senkte sich auf ihr Gemüt herab, wollte ihre Seele töten. Rologh , durchzuckte es sie. Ungewollt hat sie einen Gedankenfetzen des Dämons aufgeschnappt und seinen Namen gelesen. Rologh. Und allein der Name wollte ihr fast die Besinnung rauben.
    Sie konnte nicht mehr denken. Und wenn da nicht in letzter Sekunde noch der Gedanke an ihren Sohn Julian in ihr aufgeblitzt wäre, hätte sie sich vielleicht dem Tod ergeben, der mit schwarzen Drachenschwingen durch das Château glitt.
    »Nein, Rologh!« kreischte der Gnom. Der Drache war da, wischte Nicole mit einem Schlag seines gezackten Schweifes aus der Küche. Sie flog durch Wände und Decken hinweg, fand sich in einem Zimmer in einer ganz anderen Etage wieder. Aber immer noch war da der Dämon, dieser mächtige Drache, den sie zweimal gesehen hatte und von dem sie die ganze Zeit über gewußt hatte, daß er da war und in der Luft kreisend auf seine Chance wartete. Nein, das war kein familiaris . Das war ein Dämon. Wie er den Schutzschirm durchbrechen konnte, war Nicole unklar. Aber der Gnom kannte ihn! Es gab also doch einen Zusammenhang!
    Immer intensiver wurde die Schwärze des Schatten, den der Dämon durch Château Montagne warf, und Nicole begriff, daß sie alle sterben würden, wenn nicht jemand etwas tat.
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