0452 - Udexa kommt
Jahrmarkt, der dort anfängt.«
Ich bekam abermals eine Gänsehaut. Da hatte mein Freund genau ins Wespennest gestochen. Der Jahrmarkt war das schwache Glied in der Kette. Wo hatte Udexa denn schon so viele Opfer konzentriert zusammen wie auf diesem Festplatz?
»Suko, ich finde, daß wir uns in die Ruder legen sollten.«
»Willst du die Menschen warnen?«
»Natürlich.«
»Glaubt man dir auch?«
»Ich werde sie schon zu überzeugen wissen. Wenn es klappt, können wir das Dorf evakuieren lassen. Klar?«
»Sicher.«
Wir nahmen wieder auf der Mittelbank Platz und packten beide unsere Ruder.
Das tote Wasser hatte ein anderes Aussehen bekommen. Durch die starken Wellenbewegungen war es aufgewühlt worden. Schlamm war an die Oberfläche gedrungen und hatte sie gefärbt. Sie besaß jetzt eine braune Farbe. Dazwischen sahen wir das Grün dicker Schlingpflanzen, die wie Schlangen vorangetrieben wurden. Auch Blätter und altes Sumpfgras schaukelten auf dem Wasser.
Wir ruderten. Gesprochen wurde nichts mehr. Jeder von uns hing seinen Gedanken nach, und die drehten sich zumeist um ein Thema, die gewaltige Riesenkröte.
Ein Schrecken aus der Urzeit oder Abziehbild des Teufels. Da konnte man sich nicht so sicher sein. Dieses Gebiet hatte einmal unter der Kontrolle des Satans gestanden, wenn ich den Worten des blinden Fenton Glauben schenken wollte. Und der Satan hatte dafür Sorge getragen, daß dieses Monstrum entstanden war.
Endlich lag das tote Wasser hinter uns. Die Sonne stand in unserem Rücken. Sie war zu einem leicht rötlichen Ball geworden, vor dem der Dunst in langen Schwaden quoll.
Ich holte tief Luft und war gezwungen, die Feuchtigkeit und Fäulnis einzuatmen. In den letzten Minuten schien sich beides verstärkt zu haben, ebenso wie der Dunst, der uns begleitete und sich an gewissen Stellen schon zu regelrechten Nebelinseln verdichtet hatte.
Lange durften wir uns nicht mehr auf dem Moorsee herumtreiben, sonst war die Waschküche geschlossen.
Zum Glück erkannten wir bereits den breiten Schilfgürtel, der ein Ufer des Sees abgrenzte. Dort würden wir auch den Steg und die Hütte des Bootsverleihers finden.
»Los, John, leg noch mal Feuer auf die Riemen, dann haben wir es bald hinter uns!«
Wir ließen die Nebelfelder hinter uns und waren zum Glück schneller, als sich neue bilden konnten. Allmählich nahm auch der Schilfgürtel Gestalt an. War er vorhin nur als düsterer Schatten zu erkennen gewesen, kristallisierte er sich nun deutlicher hervor. Eigentlich hätten wir die Stelle, wo der Steg in das Wasser führte, schon erkennen müssen, aber da war nichts mehr.
»Siehst du den Steg?« Ich fragte es Suko und hob gleichzeitig mein Ruderblatt aus dem Wasser.
»Nein.«
»Dann haben wir uns verrudert.«
»Das glaube ich auch wiederum nicht«, erwiderte er und ackerte weiter. Ich tat es ihm nach, so näherten wir uns relativ schnell dem Ufer.
Es konnte den Steg nicht mehr geben. Er war regelrecht zertrümmert worden. Nicht weit von uns entfernt trieben seine Balken auf der Oberfläche. Und dort wo er aus dem Schilf geragt hatte, war die grüne Grenze selbst völlig verwüstet worden.
»Udexa«, sagte ich mit leiser Stimme und mußte danach den dicken Kloß hinunterschlucken.
Sie war an Land gegangen, daran gab es jetzt keinen Zweifel mehr.
Die Spur konnten wir deutlich erkennen. Auf einer Breite von mehr als zwanzig Yards waren die grünen Rohre abgerissen worden. Sie schwammen auch irgendwo im Wasser herum und schaukelten an uns vorbei.
Ich ballte die Hand zur Faust und dachte auch an den alten Bootsverleiher. Daß es ihn ebenfalls erwischt hatte, davon mußten wir ausgehen. Suko beschäftigte sich mit den gleichen Gedanken. Er stachelte mich an, so daß wir beide uns noch einmal beeilten und erst aufatmeten, als der Kiel über den Grund schrammte. Ein paar geknickte Schilfrohre schauten noch mit ihren unteren Hälften hervor.
Die restlichen Boote waren ebenfalls nicht mehr vorhanden.
Wir zogen unseren Kahn aufs Trockene und liefen zum Haus des Bootsverleihers.
Es hatte im Schatten dieser herrlichen Eiche gestanden, von der auch die Hälfte fehlte, als hätte der Baum der wütende Schlag einer Riesenpranke getroffen.
So ähnlich mußte es wohl gewesen sein, als Udexa ihren Weg gegangen war. Wie kümmerten uns nicht mehr um das Boot, sondern suchten Potter, den Mann mit der Shagpfeife.
Die alte Eiche hatte fast die Hälfte ihrer Krone verloren. Das Haus in ihrem Schatten hätte nicht
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