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0452 - Die finstere Seele

0452 - Die finstere Seele

Titel: 0452 - Die finstere Seele
Autoren: Werner Kurt Giesa
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merkte, daß er nicht die Frau in ihr sah, sondern das Lustweibchen. Die Exotin, mit der er in seinen Freundeskreisen prahlen konnte. Eine hübsche, heißblütige Indianerin als Frau…
    Und das Feuer war gefroren.
    Jetzt war sie wieder frei und unabhängig. Raven Brooks war wieder Rabenfeder. Hin und wieder kamen andere Frauen zu ihr, baten um Hilfe. Raven verstand das nicht. Wie wollten die anderen wissen, daß ausgerechnet sie ihnen helfen konnte? Sie wandte doch nur an, was sie von dem alten Schamanen ohne dessen Wissen gelernt hatte. Manchmal sagte sie ihnen Dinge, die seltsamerweise eintrafen, manchmal konnte sie sie hypnotisch beruhigen oder ihr Selbstbewußtsein stärken. Sie hatte einige Krankheiten geheilt, von denen sie sicher war, daß sie nur psychisch bedingt waren. Rabenfeders Hilfe hatte dafür gesorgt, daß die Psyche der Betroffenen sich stabilisierte und damit der jeweiligen Krankheit die Grundlage nahm.
    Andere nannten sie eine Hexe. Aber Rabenfeder wußte, daß dieser Ausdruck nicht stimmte. Sie war kein Kräuterweiblein, das irgendwelche geheimnisvollen Tränke braute. Sie lebte zwar im Einklang mit der Natur, mit allen natürlichen Rhythmen und Erscheinungen, und sie versuchte dieses Miteinanderleben, dieses Harmonieren auch denen nahezubringen, die zu ihr kamen. Aber sie war nicht das, was man bei den Weißen unter einer Hexe verstand.
    Sie war eher eine Schamanin, ein weiblicher Medizinmann der Navajo. Und dabei kannte sie nur einen Bruchteil dessen, was der Alte ihres Dorfes beherrschte. Mit heimlichem Beobachten hatte sie vieles gelernt, aber längst nicht alles.
    Die Unruhe in ihr blieb, obgleich sie das Ritual der Beruhigung durchführte. Und plötzlich spürte sie, daß sie in ihrer kleinen Wohnung am Stadtrand nicht mehr allein war. Doch niemand war da, der zu ihr gekommen war.
    Niemand war hereingekommen. Niemand war zu sehen. Aber Rabenfeder spürte die Anwesenheit einer anderen Existenz.
    Und von einem Moment zum anderen erkannte sie, daß in den nächsten Augenblicken ihr Bewußtsein schwinden würde. Daß es verdrängt werden würde.
    Entsetzen sprang sie an wie ein wildes Tier. Sie schrie auf, riß unwillkürlich beide Arme hoch, um sich gegen den Angriff aus dem Unsichtbaren zu wehren, aber da war doch niemand, gegen den sie sich zur Wehr setzen konnte!
    Sie schrie immer noch, als sich etwas explosionsartig in ihr ausbreitete. Die Besinnung schwand, Schwärze nahm Rabenfeder auf.
    Und dann gab es sie nicht mehr…
    Nur noch ihren Körper…
    ***
    Drei Hilfsgeister hielten den Fürsten der Finsternis.
    Julian Peters war ihrer Botschaft sofort gefolgt. Sie hatten das Flugzeugwrack gefunden, beziehungsweise die Stelle, wo es in den Golf von Mexiko gestürzt und zerschellt war.
    Julian hatte die Schwefelklüfte verlassen und sich dorthin versetzt. Unter ihm tobte das Wasser, um ihn der Sturm. Auf seinen Befehl hin hielten die Hilfsgeister ihn in der Schwebe über dem Wasser. So brauchte er sich nicht besonders anzustrengen.
    Er hätte es einfacher haben können. Er hätte eine seiner Traumwelten schaffen können, die er nach Belieben zu manipulieren verstand. Diese Traumwelt hätte er über den Absturzort stülpen können, um es mal vereinfacht auszudrücken - und diesen Punkt der Erde seiner Traumwelt einverleiben. So, wie er es gemacht hatte, als er Ombre aus dem Flugzeug holte.
    Aber er wußte, daß seine Welten nicht mehr sicher waren. Shirona, dieses seltsame Wesen aus dem Nichts, das sich ihm in Gestalt einer schönen Frau zeigte, vermochte jederzeit in diese Welten einzudringen. Solange er nicht genau wußte, woran er mit Shirona war, die ihrerseits versuchte, ihn zu manipulieren, wollte er sein Träumen einschränken.
    Es ging ja auch anders.
    Er starrte in die düstere Tiefe. Glitzerte da nicht etwas auf dem Wasser?
    »Licht!« befahl er.
    Am Himmel jagten die Sturmwolken, die das Licht von Mond und Sternen verdeckten. Aber jetzt entstand dicht über dem Wasser eine strahlende Lichtquelle. Einer der anderen Hilfsgeister begann zu glühen. Er verstrahlte eine diffuse Helligkeit, die ausreichte, Einzelheiten erkennen zu können. Dabei löste er sich langsam aber sicher auf. Er verwandelte seine Substanz in Licht. Es machte ihm nichts aus, seine Existenz aufzugeben; er tat es ja für den Herrscher der Schwarzen Familie, für den Fürsten der Finsternis.
    Da war ein Mann, der auf den Wellen trieb, von einer Woge in die Tiefe gedrückt wurde und dann wieder auftauchte. Aber er
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