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0445 - Die Macht des Träumers

0445 - Die Macht des Träumers

Titel: 0445 - Die Macht des Träumers
Autoren: Werner Kurt Giesa
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besiegen, ehe er die Vergangenheit erwecken konnte.
    Bis dahin ging er seinen Neigungen nach. Eine davon war unstillbare Neugierde.
    ***
    Neben Yves Cascal öffnete sich die Hauswand, eine Hand zuckte heraus, faßte seinen Arm und riß ihn in die Öffnung hinein. Das Messer, das gerade auf ihn zuraste, verfehlte ihn. Noch ehe er begriff, wie ihm geschah, schloß die Wandöffnung sich wieder. Dunkelheit umfing ihn. »Schnell, vorwärts«, raunte eine Frauenstimme ihm zu.
    »Davon lassen sie sich nicht lange irritieren.«
    Er fühlte sich voran gezerrt, stolperte und wurde aufgefangen. »Stell dich nicht so dumm an«, hörte er. »Tu nicht so, als könntest du dich nicht bewegen, Narr! Willst du, daß sie dich in handliche Streifen schneiden, weil du sie ausgetrickst hast?«
    Er versuchte sich die Frau vorzustellen, der diese Stimme gehörte. Melodisch, hell und energisch. Mit traumhafter Sicherheit bewegte sie sich durch die Dunkelheit. Er konnte nur vertrauen und ihr blindlings folgen, wenngleich er sich auch am liebsten losgerissen hätte. Aber das hätte ihm nicht weitergeholfen. Er besaß keine Chance, sich hier zu orientieren. Wenn er sich von ihr löste, saß er hoffnungslos in der Finsternis fest.
    Und sie würde ihn wohl auch nicht gleich auffressen wollen. Wäre sie seine Feindin, hätte sie ihn nur draußen zu lassen brauchen. Die Schwarzgekleideten hätten ihn erledigt. Sie hatte ihm sicher nicht das Leben gerettet, um ihm anschließend Schaden zuzufügen.
    Er spürte das Amulett vor seiner Brust. Nicht so, wie er es normalerweise spürte - als Metallgewicht. Da war etwas anderes. Es machte sich irgendwie bemerkbar. Er begriff das nicht. Und eigentlich wollte er es auch nicht begreifen.
    Es ging auf einer Rampe abwärts, dann über Stufen wieder aufwärts. Schließlich blieb die Frau stehen. »Warte«, sagte sie. »Mach die Augen zu und nur langsam wieder auf; es wird hell.«
    Er gehorchte. Durch die geschlossenen Lider registrierte er die Lichtflut, die über ihn hereinbrach, aber indem er die Augen langsam öffnete, konnte er sich daran gewöhnen. Er war der Frau dankbar. Hätte sie ihn nicht gewarnt, wäre er geblendet gewesen. So konnte er sofort wieder reagieren.
    Aber es war nicht nötig. Es bestand keine Gefahr.
    Yves sah sich um. Hinter ihm befand sich ein großer Baum. Ein knorriges, mächtiges Ungeheuer aus gewachsenem Holz, das ein dutzend Männer mit ausgebreiteten Armen kaum umspannen konnten und dessen dichtbelaubte Äste gut fünfzig Meter in den Himmel hinauf ragen mußten.
    Er sah gerade noch, wie sich eine Tür schloß, die Sekunden später nicht mehr als solche zu erkennen war, weil die faltige Rinde sämtliche winzigen Fugen verschluckte. Wer nicht wußte, daß es diese Tür hier gab, würde sie beim besten Willen nicht erkennen können. Und wer es wußte, wußte immer noch nicht, wie man sie von außen öffnen konnte. So wie er, Cascal.
    »Danke«, brachte er hervor.
    Er lehnte sich an den jetzt geschlossenen Baumstamm. Ringsum befanden sich in relativ weiten Abständen andere Bäume; auf dem Boden lagen dichte Schichten riesiger Blätter, die zur Größe dieser Mammutbäume paßten und mit denen Adam und Eva nicht nur ihre Blößen hätten bedecken, sondern sich darin einwickeln können. Yves glaubte als Zwerg in ein Land der Riesen versetzt worden zu sein. Wenn er es richtig betrachtete, dann entsprach die Entfernung der Bäume voneinander normalem Maß. Es mußte ein lichter Hain sein, durch dessen Laubdach heller Sonnenschein drang. Und im Vergleich zu einem Wald, wie Cascal ihn kannte, war dieser hier gut fünfmal so groß.
    Er nahm sich die Muße, seine Retterin zu betrachten. Sie mochte um zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre alt sein, besaß langes, blondes Haar und eine atemberaubende Figur, die von ihrer Kleidung noch unterstrichen wurde. Sie trug einen schock roten Overall, der hauteng und elastisch war, so daß er sich bei jeder Bewegung mitdehnte. Er zeichnete die Körperform mehr als exakt nach. Rechts und links zogen sich schmale weiße Streifen von Achselhöhle bis hinab zu den braunen Stiefeln. Der Ausschnitt reichte bis dicht unter den Nabel, schmale Trägerbändchen über den Schultern hielten die gewagte Kreation. Die nackten Arme waren mit goldenen Reifen geschmückt; ein ebenfalls goldener Gürtel betonte die schlanke Taille des Mädchens. Das Gesicht kam Cascal seltsam bekannt vor. Er war sicher, diesem blonden Girl noch nicht begegnet zu sein, aber das Gesicht
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