0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter

Kämpfen als Talisman begleitete.
    Plötzlich fiel mir die Szene in der Kabine ein, als die Lady ohnmächtig wurde. Ihre Tasche war auf den Boden gefallen, der große Hut unter den Massagetisch gerollt.
    Wieder kletterte Lion Brecket in den Ring. Der Ringrichter ermahnte die beiden Kämpfer, schickte sie in die Ecken. Der Film brachte nur Ausschnitte aus der ersten Runde, weil sie wenig verheißungsvoll war.
    Jetzt nahm ich Einzelheiten wahr, die ich beim ersten Betrachten nicht bemerkt hatte. Miß Paines Hut neigte sich etwas nach vorn. Die Lady schien etwas in ihrer Tasche ,zu suchen, die ich allerding nicht sehen konnte, weil sie durch den breiten Hutrand verdeckt war.
    Dann begann die verhängnisvolle zweite Runde.
    Da — jetzt klammerte Robero, Lion klärte mit einigen Aufwärtshaken und tänzelte in die Mitte des Ringes zurück.
    »Stop!« brüllte ich nach hinten, »schalten Sie bitte auf den Langsamgang.«
    »Nein, abschalten«, kreischte Miß Paine, »ich kann es nicht mehr sehen!«
    Der Vorführer kam meiner Aufforderung nach. Ruckartig gingen die Bilder über die Leinwand. Deutlich war jetzt das Zucken in Lions Gesicht zu sehen — und das winzige Loch an der Schläfe, die der Kamera zugekehrt war. Lion streckte die Arme in Zeitlupe in die Luft, knickte in die Knie ein und fiel nach hinten. Nur Bruchteile von Sekunden sah er in die Tiefstrahler über ihm. Dann fiel sein Kopf zur Seite.
    »Nein«, schrie Miß Paine auf. »Nein, es ist nicht wahr.«
    Der Vorführer schaltete wieder auf normales Tempo um. Ich sah genau, wie sie sich zurücklehnte. Die Schmalseite der Tasche zeigte auf den Boxring.
    »Ihr Hunde«, schrie Miß Paine hysterisch, »ihr habt mich in die Falle gelockt. Zweimal bist du entkommen, G-man, aber diesmal erledige ich das selbst.«
    Blitzschnell drehte ich mich herum und sah im Aufflammen der Deckenbeleuchtung, wie die Seitenklappe ihrer Tasche herunterfiel. Die Pistolenmündung war genau auf mich gerichtet.
    Ich warf mich zur Seite. Die Kugel zischte über mir weg in die Leinwand.
    Hellman hatte blitzschnell die Situation erkannt. Er sprang auf und schleuderte dabei seinen Stuhl zurück. Das Möbelstück traf Miß Paine mit voller Wucht.
    Ich zog meinen 38er Special und rief:
    »Stop, Miß Paine! Hände hoch! Das Spiel ist aus. Werfen Sie Ihre Tasche weg!«
    Aber Alice Paine dachte nicht daran.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr die Tasche vom Schoß zu schießen. Dabei streifte meine Kugel ihren Arm.
    Miß Paine sprang auf. Mit schmerzverzerrtem Gesicht stürzte sie sich auf Hellman.
    In diesem Augenblick erschien Phil in der Tür und kam dem Detektiv zu Hilfe. Wir dekorierten Alice Paine mit Hellmans Handschellen.
    »Sie machten den ersten Fehler, Miß Paine«, sagte ich, »als Sie am Ring sitzen blieben, während alle anderen aufstanden. Sie lehnten sich sogar noch in aller Seelenruhe zurück. Wir werden uns den Film zum drittenmal ansehen, um ganz sicher zu sein, daß wir uns nicht irren.«
    »Nein«, schrie sie auf, »ich kann es nicht mehr ertragen. Wäre ich doch nie gekommen!«
    Die Frau, die eine Verbrecherbande über Jahre geführt hatte, verlor jetzt die Nerven. Sie legte im Konferenzzimmer der Columbia Broadcasting Company ein umfassendes Geständnis ab:
    Cannon stahl mit seinen Leuten in ihrem Auftrag den Wagen des Privatdetektivs Roger Hellman. Der Mann hinter dem Steuer mußte ein Bekannter von Amelie gewesen sein, der auf seine Art den Detektiv hereinlegen wollte und das mit dem Leben bezahlen mußte.
    Zu dieser Zeit erschoß Alice Paine den Boxer Lion Brecket, der die Bevormundung durch Alice leid war und sich von ihr und dem Schmugglerring lösen wollte.
    Miß Paine berichtete ausführlich, wie sie mit ihrer Siamkatze große Mengen Rauschgift oder Diamanten schmuggelte. Das Tier war bei den Zollstellen als Talisman von Lion Brecket bekannt, so daß Miß Paine nie diesen Koffer zu öffnen brauchte. Diese Gelegenheit nutzte sie reichlich. In der Tasche befand sich ein ausgestopftes Tier, das mit Rauschgift und Rohdiamanten gefüllt war. Es war eine ziemlich einfache Methode, die aber vorzüglich funktioniert hatte.
    Auf das Konto von Miß Paine ging auch das erste Attentat gegen mich. Sie war vom Bellevue Hospital am frühen Morgen sofort zu Cannon gefahren, wo ich kurz darauf eintraf und mich als Lastwagenfahrer bewarb. Sie sah den Ausweis, der auf meinen Namen lautete, beobachtete mich durch die Türritze und gab Anordnung, die Bremsbehälter bei Rocky Hill