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0431 - Kathedrale der Angst

0431 - Kathedrale der Angst

Titel: 0431 - Kathedrale der Angst
Autoren: Jason Dark
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sich Gustave Rodin drehte und nach fünfzig langen Jahren zum zweiten Mal verbrannt wurde.
    Diesmal für immer.
    Als Zuschauer konnte man den Eindruck haben, als würde sich der zu Asche verfallene Körper noch einmal materialisieren, als er innerhalb der Flammenzungen tanzte.
    Da mußte ein Spiegelbild zurückgekehrt sein. Diesen Eindruck hatte ich bei der Szene, bis ich das hohle Pfeifen hörte, begleitet von einem stürmischen Brausen. Die Flammen vereinten sich und schössen als Lohe gegen die Decke.
    Zwei Augen, eine Nase, ein Mund - das alles zeichnete sich für einen winzigen Moment klar und deutlich ab, bevor es ineinanderlief und restlos zerstört wurde.
    Die Flamme aber verkleinerte sich, verlor an Kraft und sank zusammen.
    Als glühender Finger tanzten sie noch für einen Moment über den Boden, bevor sie verlosch, als hätte jemand Wasser auf sie geschüttet.
    Es war aus.
    Keiner rührte sich.
    Das Skelett stand ebenso bewegungslos wie die zwölf Templer und auch Abbé Bloch.
    Mich hatte dieses Ereignis ebenfalls schockiert. Aber ich war es, der seine Überraschung als erster überwand. Natürlich interessierte mich das Skelett, aber wichtiger war die Frau, denn ich hatte Angst, daß sie tot war.
    Mit wenigen Schritten hatte ich sie erreicht, beugte mich über sie und hob ihren Oberkörper an. Sie hielt noch immer beide Hände gegen ihr Gesicht gepreßt.
    Vorsichtig löste ich sie - und sah das Blut. Es rann aus zahlreichen Wunden.
    Der Hals war verbrannt, die Hände auch, aber Colette Virni lebte.
    Sie war zum Glück nur bewußtlos. Nicht immer lief eine Attacke so glimpflich ab.
    Als ich mich wieder aufrichtete, stand das Skelett nicht mehr an der gleichen Stelle. Es war auf dem Weg zu Abbé Bloch, der ihm seine Arme entgegenstreckte und es in Empfang nahm.
    Trotz des Fackellichts konnte ich den zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht erkennen.
    Er hatte es geschafft!
    Ich beobachtete ihn weiter, und das Skelett ließ es zu, daß der Abbé ihm mein Kreuz aus der Hand nahm. Dabei flüsterte er Worte, die ich nicht verstand, und die Geste, mit der er beinahe zärtlich über das Knochengesicht strich, ließ erkennen, daß er dem Skelett so etwas wie Vertrauen und Freundschaft entgegenbrachte.
    »Ich möchte Ihnen etwas zurückgeben!« rief er mir zu und hielt mein Kreuz hoch.
    »Ja, ich komme.«
    Der Weg zu ihm fiel mir nicht schwer, obwohl ich sehr langsam ging.
    Aber ich wollte einiges überdenken. Dazu kam es nicht. In meinem Kopf rotierte noch zu viel.
    Er drückte mir das Kreuz in die Hand und schloß selbst meine Finger darum. »Ich danke dir«, sagte Bloch. »Ab jetzt weiß ich, daß du, ob du willst oder nicht, zu uns gehörst. Du hast uns einen Vertrauensbeweis entgegengebracht, und wir sehen dich als Templer-Bruder an.«
    Meine Kehle war einfach zu trocken, um etwas erwidern zu können, deshalb nickte ich nur.
    »Aber unsere Arbeit ist noch nicht beendet, und ich hätte auch eine Bitte an dich, John.«
    »Sprich!«
    »Dein Kreuz habe ich dir zurückgegeben, doch nicht das Siegel. Und das hat seinen Grund.«
    »Soll das Skelett es behalten?«
    »Ja, obwohl ich nicht weiß, ob es ihm auf seinem langen Weg damals begegnet ist. Aber es kann nicht schaden, und ein jeder von uns weiß, wo es sich befindet.«
    Ich hatte ihn verstanden. »Dann wirst du das Skelett in dieser Kathedrale der Angst lassen.«
    »So haben wir es vorgesehen. Das war unser Plan. Wir mußten sie nur vom Bösen befreien, das wir dank deiner Unterstützung auch geschafft haben. Es ist die Politik der kleinen Schritte, die letztendlich zum Erfolg führen kann.«
    »Und wie heißt der Erfolg?« fragte ich.
    »Der Dunkle Gral!«
    Das hatte ich mir gedacht. Ich deutete in die Kathedrale hinein, wobei ich die Wände und die Statue meinte. »Noch befinden sich die Bilder hier und…«
    Der Abbé unterbrach mich mit einer Handbewegung. »Das sollte kein Problem mehr sein. Du hast vorhin gesehen, was unsere Brüder taten?«
    »Sie zogen ihre Pflöcke!«
    »Sehr richtig.« Der Abbé drehte sich um. Er wandte sich an seine zwölf Getreuen. »Freunde!« rief er laut. »Ihr wißt, was ihr zu tun habt und aus welchem anderen Grund wir noch hergekommen sind - oder?«
    »Ja«, erklang es im Chor.
    Der Abbé straffte sich. »Dann erfüllt eure Aufgabe bis zur letzten Konsequenz.«
    Während das Skelett in unserer Nähe stehenblieb, drehten sich die zwölf angesprochenen Templer um. Sie hoben synchron ihre rechten Arme, während sie mit den linken
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