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0425 - Das Mädchen und die Todesperlen

0425 - Das Mädchen und die Todesperlen

Titel: 0425 - Das Mädchen und die Todesperlen
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aufgerauchte Zigarettenreste und kleine Häufchen weicher, seidiger Asche.
    Im ersten Stock knackte eine Diele. Wie ein Schlag traf ihn das Geräusch. Dann vernahm er Schritte. Sie kamen zur Treppe.
    Dardano wollte zum Fenster, aber seine Füße waren wie festgenagelt.
    Jetzt hatten die Schritte die Treppe erreicht. Die Stufen knackten. Schnell kam jemand herab. Es mußte ein Mann sein. Schwer und dumpf setzte er die Füße.
    Als eine dunkle Gestalt am Fuß der Treppe auf tauchte, warf sich der Tramp herum. Endlich fiel die Lähmung von ihm ab. Er hechtete zu der T.ür, die in den leeren Raum führte. Dort war das geöffnete Fenster.
    Dardano hörte, wie der andere ihm nachsetzte. Jetzt war er hinter ihm. Der Alte wollte schreien. Aber schneller als der Hilferuf war der Arm, der den klobigen Holzknüppel schwang. Er durchschnitt pfeifend die Luft, landete auf Dardanos Hinterkopf und schmetterte den alten Tramp mit ungeheurer Wucht zu Boden. Dardano rührte sich nicht.
    Er hörte nicht die Flüche, die der andere ausstieß, als er sich über ihn beugte und ihn untersuchte.
    Lee Dardano hat nie erfahren, wer ihn in jener Julinacht des Jahres 1962 in dem verlassenen Haus niedergeschlagen hatte. Fest stand, daß es niemand war, der mit dem Verbrechen um die Lagatta-Perlen etwas zu tun hatte. Vermutlich fühlte sich ein Dieb oder Einbrecher von Dardano überrascht. Vermutlich hatte der den Alten nur betäuben wollen. Aber nach dem Niederschlag mußte ihn der Unbekannte für tot gehalten, ihn sich auf die Schulter geladen und weggetragen haben.
    Am Morgen des nächsten Tages — es war der 20, Juli — wurde Dardano mit blutverkrustetem Hinterkopf, in tiefer Bewußtlosigkeit liegend, an einem der Eingänge zum Pelham Bay Park gefunden.
    Man brachte den alten Tramp in ein Krankenhaus. Tagelang stand sein Schicksal auf des Messers Schneide.
    Es dauerte über zwei Monate, bis er wieder so weit hergestellt war, daß er das Bett verlassen konnte.
    Aber Leo Dardano hatte sein Gedächtnis verloren, konnte sich an nichts mehr erinnern, wußte nicht, was mit ihm geschehen war, kannte seinen Namen nicht, entsann sich nicht an seine Vergangenheit, konnte nichts über seine Person sagen.
    Ende Oktober wurde Dardano entlassen.
    Der Krankenhausaufenthalt kostete ihm keinen' Cent. Barmherzige Menschen bestritten die Kosten aus dem Fonds einer Stiftung.
    Obwohl Dardano — da man ihn nicht hatte identifizieren können, trug er zu jener Zeit einen anderen Namen — schon 58 Jahre alt war, hätte jene Zeit zu einem neuen Beginn für ihn werden können. Aber seine eingefleischte Faulheit, seine Neigung zum Asozialen und seine Trunksucht brachen wieder durch. Dardano wurde genau das, was er vorher gewesen war: ein Tramp.
    Die Polizei, die bemüht gewesen war, seinen Fall zu klären, verlor ihn aus den Augen. Seine Akte wurde geschlossen. Bald verstaubte sie in irgend einer Schublade des Polizei-Hauptquartiers in der Center Street von Manhattan.
    Während der folgenden zwei Jahre stromerte Dardano durch die Staaten. Allmählich kehrte seine Erinnerung zurück. Eines Tages wußte er wieder, wer er war. Dann fielen ihm Ereignisse ein. Zuletzt entsann er sich an jene Nacht in dem verlassenen Haus in der Tremont Avenue und an das Verbrechen um die Lagatta-Perlen. Diese Erinnerung kehrte nach fast genau zwei Jahren in sein Hirn zurück, nämlich im Juli 1964.
    ***
    Als das Telefon klingelte, nahm ich den Hörer ab und brummte meinen Namen in die Muschel.
    »Hier ist eine Lady, die dich sprechen möchte«, sagte der Kollege am Empfang. »Veronica Gallet. Soll ich Sie hochschicken?«
    »Immer ‘rauf mit ihr!«
    Ich trank noch einen Schluck von dem Kaffee, der vor mir auf dem Schreibtisch stand. Ich war müde. Kein Wunder. Wir hatten letzte Nacht im südlichen Harlem eine Razzia durchgeführt, und ich war nur für knapp drei Stunden ins Bett gekommen.
    Veronica Gallet kannte ich so gut wie nahezu jeder andere New Yorker Polizist oder G-man. In der Bowery, Ecke Canal Street, betrieb die Frau seit Jahren ein Flop House, eine Art Herberge für Tramps, Trinker und Asoziale aller Schattierungen. Veronica war unter dem Gesindel als letzte Rettung bekannt. Das Flop House war sauber, und an den Wänden im Flur hingen stets die neuesten Steckbriefe. Wenn ein Gesuchter Veronicas Weg kreuzte, dann war es sicher, daß sie uns oder der Stadtpolizei sofort einen Tip zukommen ließ.
    Es klopfte.
    »Herein!« Ich stellte die Kaffeetasse weg und erhob mich.
    Veronica
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