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0425 - Asmodis jagt den Schatten

0425 - Asmodis jagt den Schatten

Titel: 0425 - Asmodis jagt den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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geheuert, morgen gefeuert, aber zwischendurch ein wenig Geld, mit dem man wieder ein paar Wochen über die Runden kam. Diese Männer fuhren beileibe nicht zum Spaß als Tramps mit den Güterzügen, und von Abenteuer-Romantik war keine Spur. Sie waren Außenseiter der Gesellschaft. Durch irgend einen Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen und abgerutscht. Der Messermann war noch vor einem Jahr ein angesehener Rechtsanwalt in New York gewesen. Er hatte Pech gehabt, sich mit Aktien verspekuliert, und sie hatten ihm Haus und Hof förmlich unter dem Hintern weggenommen. Der Alte war vor gut zehn Jahren geschieden worden. Er hatte es bis heute nicht verkraftet, war dem Alkohol verfallen, hatte seinen Job verloren, die Banken sperrten ihm die Kredite… und nun saß er mit den anderen im Zug. In einem Land, in welchem die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer wurden, ging so etwas sehr schnell, und die Kluft zwischen arm und reich wurde von Jahr zu Jahr größer, die Relationen verschoben sich immer mehr. Die Mitte schrumpfte; um die Jahrtausendwende würde es nur noch Superreiche und Sozialhilfeempfänger geben und nichts mehr dazwischen, dachte Cascal bitter. Wenn er nicht höllisch aufpaßte, würde er auch ganz unten landen. Aber er wollte auch nicht nach ganz oben. Er wollte sich nicht zwischen jenen einreihen, die ihr Vermögen auf Kosten der ändern machten. Er hatte seinen Mittelweg gefunden; ähnlich wie Robin Hood nahm er, wenn’s sein mußte, von den Reichen und ließ die anderen ungeschoren. Ansonsten hielt er die Augen offen, und wenn man aufmerksam durch die Welt ging, fiel einem so manches zu.
    Nachdenklich betrachtete er die drei Männer, deren Reisegefährte er für kurze Zeit geworden war. Sie hatten keine Chance, jemals wieder aus dem Sumpf herauszukommen, in den sie gesackt waren. Offiziell gab es sie nicht einmal; sie wurden ignoriert. Tauchten nicht einmal in einer Statistik auf. In einem Land, in dem die Sozialversicherungsnummer fast wichtiger war als der Paß, fielen die Bedürftigen bereits nach ein paar Monaten aus der Liste der Hilfsempfänger heraus und bekamen keinen Cent mehr. Auch eine Art, Statistiken zu beschönigen und den Bürgern, denen es noch gut und besser ging, die heile Welt eines funktionierenden Sozialstaates vorzugaukeln, in dem es kaum Arbeitslose und kaum Sozialhilfeempfänger gab. Die Wirklichkeit sah ganz anders aus, aber davor verschloß man tunlichst die Augen. Wenn man einen Vagabunden sah, einen Bettler, der um die Häuser strich, um ein paar Kanten Brot aus der Mülltonne zu stibitzen, rief man vorsorglich die Polizei, die ihn schon entfernen würde…
    Cascal riß sich gewaltsam aus seinen bitteren Gedanken. Er merkte, daß er sich in einen heillosen Zorn auf das Wohlfahrtssystem hineinzusteigern begann, das für ihn keines sein konnte, weil vorn und hinten nichts stimmte. Aber als einzelner konnte er nichts tun, war machtlos gegen den Apparat. Und er sah auch keine Chance, auf die Schnelle etwas zu verbessern, selbst wenn man ihm die Befugnisse dazu gegeben hätte. Es war eine Schraube, die sich immer schneller drehte und nur noch sehr schwer zu bremsen war. Wenn man sie schnell stoppen sollte, würde alles ringsum zusammenbrechen. Denn der Staat war darauf einfach nicht vorbereitet…
    Manchmal bedauerte Cascal, ein Teil dieses Systems zu sein und einen amerikanischen Paß zu haben. Er, dessen Vorfahren einst als Sklaven in dieses Land geholt worden waren, um für die Weißen zu schuften. Und immer noch waren die alten Vorurteile nicht restlos ausgeräumt, wucherten immer noch. Vor allem hier im Süden…
    Er schüttelte sich.
    Und da merkte er, daß der Zug langsamer wurde.
    Bremsen pfiffen. Blockierende Räder kreischten über die Schienen.
    Die Hobos sprangen auf.
    »Verdammt!« schrie der junge Messermann, der einmal Rechtsanwalt gewesen war. »Sie halten den Zug an. Diese Schweine haben was gemerkt!«
    Blitzschnell packten sie ihre Sachen zusammen. Einer schnürte alles in einer Decke zusammen, verknotete sie an den Enden miteinander. Die beiden anderen hatten immerhin Packtaschen und Schlafsäcke. Der Zug wurde merklich langsamer. Er glitt in eine weite Ebene hinein.
    Mit einem Satz war Cascal an der Tür. Er starrte nach draußen. Noch war der Zug zu schnell, um abzuspringen. Wenn er langsam genug war, gab es auf allen Seiten nur noch eine freie Fläche, die kein spurloses Verschwinden mehr ermöglichte.
    Er überlegte, ob er es trotzdem riskieren

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