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0410 - Blonder Köder für den G-man

0410 - Blonder Köder für den G-man

Titel: 0410 - Blonder Köder für den G-man
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breite, schäbige Straße, die sich alle Mühe gab, die Periode ihrer Bürgerlichkeit zu verleugnen. Das Haus mit dem Wettbüro hatte eine Stuckfassade, die es verdiente, baupolizeilich zum Abbruch bestimmt zu werden. Die alten, schmutzstarrenden Steinschnörkel sahen jedenfalls so aus, als warteten sie nur darauf, harmlosen Passanten auf die Köpfe zu fallen.
    Das Haus hatte sechs Etagen und einen Lift. Der Lift war nicht in Betrieb - vermutlich schon seit Jahren nicht, denn das Schild an seiner Tür, das darüber Auskunft gab, hinterließ den Eindruck hoher Betagtheit.
    McNally wohnte in der dritten Etage.
    Ehe ich klingelte, legte ich ein Ohr an die Tür und lauschte. In der Wohnung war Radiomusik zu hören. Ich klingelte kurz, beinahe flüchtig, Um dem Klingelzeichen keinen Anstrich behördlicher Dringlichkeit zu geben. Ganoven haben für derlei Untertöne ein gutes Gespür. Ich war sicher, dass man die Wohnung über die Feuerleiter verlassen konnte und wollte McNally keine Veranlassung bieten, sich dieses bequemen Fluchtweges zu bedienen.
    In der Diele ertönten Schritte. Dann wurde die Tür geöffnet. Ich hielt die linke Hand in der Tasche, die Finger umspannten den Pistolengriff. Die Vorsichtsmaßnahme erwies sich als unbegründet. Der Mann, der mir gegenüberstand, war nicht McNally. Er hatte nichts von einem Gangster an sich. Im Gegenteil. Er wirkte beinahe distinguiert, ein gut gekleideter Mittfünfziger, der nicht so recht in diese schäbige Umgebung passen wollte.
    Er räusperte sich. »Pardon, ich dachte, es sei Mister McNally. Falls Sie ihn zu sprechen wünschen, muss ich Sie enttäuschen. Er ist nicht hier.«
    »Wer sind Sie?«, wollte ich wissen.
    Er hob die dunklen Augenbrauen. Im Gegensatz zum silbergrauen Kopfhaar waren sie tiefschwarz. Sie waren vermutlich gefärbt, um das Gesicht interessanter erscheinen zu lassen - ein kleiner, aber ohne Zweifel sehr wirksamer Trick, der den Mann jünger und zugleich dynamischer erscheinen ließ.
    »Diese Frage«, meinte er, »kann ich mit dem gleichen Recht an Sie stellen.«
    »Ich heiße Cotton«, sagte ich. »Jerry Cotton, FBI.« Ich zeigte den Stern.
    Er starrte mich an. In seinem schmalen, wohlgeformten Gesicht zuckte kein Muskel. Nur in den hellen Augen war Leben und Bewegung. Ich merkte, dass er sehr schnell ein paar Überlegungen aneinanderfügte. »Ich bin hier nicht zu Hause«, murmelte er. »Daher habe ich nicht das Recht, Sie hereinzubitten…«
    »Ich glaube, es hieße am falschen Platz einen Höflichkeitswettbewerb auszutragen, wenn wir McNally dabei in den Mittelpunkt unserer Rücksichtnahme stellen wollten«, sagte ich und betrat die Wohnung. »Wer sind Sie?«
    Er schloss die Tür, etwas pikiert, wie mir schien. »Ist doch unwichtig«, sagte er.
    Ich durchquerte die lange, schmale Diele, die durch eine einzelne Wandlampe erhellt wurde. Der Mann blieb an der Tür stehen, eine Hand auf der Klinke, als erwäge er, in der nächsten Sekunde die Wohnung zu verlassen.
    »Kommen Sie«, sagte ich freundlich. »Ich möchte ein paar Fragen an Sie richten.«
    Zögernd und offenkundig widerwillig folgte er der Aufforderung. Wir betraten das Wohnzimmer. Es war ein schlecht möblierter Raum, in den sicher noch niemals vorbildliche Ordnung geherrscht hatte, aber jetzt sah es darin besonders wüst aus. Der Inhalt von Schubläden und Kommoden lag 56 auf dem Boden. Schranktüren waren geöffnet.
    »Man könnte fast meinen, hier habe ein Dieb gehaust, was?«, fragte der Mann.
    Ich wandte mich um und blickte ihm in die Augen. »Haben Sie…«
    »Herr!«, schnaufte er protestierend und ließ erneut die tiefschwarzen Augenbrauen hochsteigen. »Was erlauben Sie sich? Ich habe es nicht nötig, die Sachen eines Gangsters zu durchschnüffeln…«
    »Immerhin wissen Sie, dass er ein Gangster ist«, stellte ich fest. »Was hat Sie bewogen, dem Domizil eines solchen Mannes einen Besuch abzustatten?«
    »Er bat mich darum.«
    »Mit welchem Grund?«
    »Er nannte keinen Grund.«
    »Wie sind Sie hereingekommen?«
    »Die Tür war offen.«
    »Woher wissen Sie, dass er ein Gangster ist?«
    »Das sieht man doch, wenn man sich hier in der Wohnung umschaut«, meinte er.
    »Man kann nicht behaupten, dass Sie sehr geschickt zu schwindeln verstehen«, sagte ich. »Also los, raus jetzt mit der Sprache: Wer sind Sie?«
    Er schluckte. »Mein Name ist Spencer.«
    »Horace Spencer?«
    »Ja.«
    Ich spitzte die Lippen, als ob ich zu pfeifen beabsichtigte, aber ich pfiff nicht. »Und McNally hat
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