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0406 - Mörder-Medium

0406 - Mörder-Medium

Titel: 0406 - Mörder-Medium
Autoren: Werner Kurt Giesa
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genießen! Laß mich das Leben trinken! Wenigstens vorübergehend, bis…«
    »Später«, wehrte Merlin ab. »Meine Zeit ist knapp bemessen. Ich muß meine Kräfte erneuern - jetzt. Ich kann nicht warten, wenn ich wieder der werden soll, der ich einst war. Sonst wird es zu spät, sonst werde ich so schwach, daß ich nie wieder erstarken kann.«
    Amos fauchte erneut.
    Merlin streifte die Hand seines Blutsverwandten vom Ärmel. »Ich gehe jetzt«, sagte er. »Du weißt, daß ich zurückkehre. Gedulde dich.«
    »Und wie lange, eh?« brüllte Amos.
    »Wie lange soll ich mich gedulden? Tage? Monate? Jahre? Jahrhunderte? Die Zeit bedeutet dir doch nichts! Sage mir, wie lange ich noch leiden muß in diesem goldenen Käfig.«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Merlin. »Aber du wirst es erleben.«
    Er wandte sich um, und Sid Amos war nicht mehr in der Lage, ihn zurückzuhalten. Er sah, wie Merlin einen Fuß vor den anderen setzte, wie er scheinbar zu schweben begann. Und mit jedem Schritt verkleinerte er sich, schrumpfte zusammen, ohne recht vorwärts zu kommen. Als er kaum noch zu erkennen war, verschwand er völlig.
    Da wußte Sid Amos, daß Merlin die Dimensionsblase erreicht hatte, in der sich, völlig abgeteilt von der Welt, seine Regenerationskammer befand, die er immer dann aufsuchte, wenn er von einer bestimmten Handlung so geschwächt war, daß er seine Kräfte nicht anders erneuern konnte.
    Amos preßte die Lippen zusammen. Niemand wußte, wie lange ein solcher Regenerationsvorgang dauerte. Es war immer anders. Die Zeit ließ sich nicht bestimmen.
    Er ballte die Fäuste, und er schrie. Er schrie seinen Zorn, seine Wut, seine Verzweiflung hinaus, seine Resignation. Seine Stimme gellte durch Caermardhin, und es gab keinen Raum der riesigen unsichtbaren Festung, in der man sie nicht hörte.
    Sid Amos hätte Merlin umbringen können!
    ***
    Stunden später erfuhr Zamorra von Merlins Gehen. Es ließ ihn nicht unberührt. Aber er wußte auch, daß es niemanden gab, der Merlin würdiger vertreten konnte als Sid Amos. Mochten Gryf, Teri und die anderen darüber denken, was sie wollten. Zamorra vertraute dem Sinneswandel des einstigen Asmodis.
    Tief in ihm warnte zwar immer wieder eine Stimme, aber er ignorierte sie. Er wollte nicht wahrhaben, daß er sich so irren könnte.
    Denn auch als Asmodis hatte der Ex-Teufel ihn nie belogen, so oft sie sich auch als Feinde gegenüberstanden. Er war immer ein fairer Gegner gewesen.
    Zamorra war sicher, daß zumindest Gryf Merlins neuerliche Entscheidung nicht kritiklos hinnehmen würde. Eine Wiederholung seiner spitzen Bemerkungen war abzusehen. Zamorra wollte dafür sorgen, daß die Lage ein wenig entschärft wurde. Das ging nur dadurch, daß eine andere, längst fällige Entwicklung beschleunigt wurde.
    »Es ist an der Zeit, daß wir dich endlich in deine Heimat zurückbringen, Genosse Boris Iljitsch«, stellte er fest. »Die warten da doch schon eine Ewigkeit auf dich.«
    »Wahrscheinlich halten sie mich längst für tot«, schmunzelte Saranow, der russische Parapsychologe. Er war durch ein künstliches Weltentor vor geraumer Zeit in die Echsenwelt gerissen worden und von dort aus nach Caermardhin gekommen. Lange Zeit hatten der Sauroide Reek Norr und Saranow Erfahrungen ausgetauscht. Norr war wieder in seine Welt zurückgekehrt; Saranows Heimkehr stand noch aus.
    Er war aus Akademgorodok ›entführt‹ worden, dort schlagartig ins Nichts verschwunden. Wahrscheinlich gab es längst die haarsträubendsten Spekulationen, weil sich niemand würde erklären können, wieso er einfach fort war, ohne daß es die geringste Spur gab. Nach Dienstschluß war er heimgefahren, hatte seine Wohnung aber nicht mehr betreten können…
    Um so interessanter, fand er selbst, würde seine Heimkehr werden.
    »Nun gut. Sehen wir also zu, daß wir nach London kommen und ein Flugzeug finden, das mich heimbringt«, sagte Saranow. »Ted Ewigk ist mit dem Wagen hier…«
    »Mit dem Mietwagen«, warf der Reporter ein. »Aber das spielt ja keine Rolle. Ich bringe Sie hin, Towarischtsch.«
    »Ich denke, das könnte Gryf viel unbürokratischer erledigen«, schlug Zamorra vor. »Er könnte Boris mit dem zeitlosen Sprung von einer Sekunde zur anderen bis in seine Wohnung bringen…«
    »… was die Jungs vom KGB vollkommen durcheinander bringen dürfte.« Der Druide grinste und rieb sich die Hände. »Das wäre etwas für meinen Geschmack.«
    Saranow nickte. »Nicht schlecht. Was hältst du eigentlich davon,
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