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0406 - Mörder-Medium

0406 - Mörder-Medium

Titel: 0406 - Mörder-Medium
Autoren: Werner Kurt Giesa
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dem Gebiet der Telepathie besondere Fortschritte mache - manche dieser Gerüchte wurden gezielt in Umlauf gebracht, um ein Pokerspiel um Machtzuwachs zu gewinnen.
    Dr. Tokolev und sein Assistent Retekin gehörten zu einem großen Team von Parapsychologen, das sich mit allerlei übersinnlichen Erscheinungen zu befassen hatte. Momentan galt das Hauptinteresse der beiden Wissenschaftler dem Medium Lena Petrowna. Andere Parapsychologen befaßten sich mit anderen Erscheinungen. Retekin hatte mehrmals gemeutert; er hielt es für Zeitverschwendung, dem Phänomen des Ektoplasmas nachzuspüren, da es für seine Begriffe keinen praktischen Nutzen in sich bergen konnte. Aber Professor Boris Saranow, einer der Leiter der parapsychologischen Fakultät, hatte so entschieden. Er hielt dieses Forschungsprojekt für wichtig.
    Seit Saranow plötzlich verschwunden war, äußerte sich Retekin häufiger kritisch. Aber der Auftrag war nicht gestoppt worden. Es wußte auch niemand, was mit Saranow war. Man sagte, er werde bald zurückerwartet, aber niemand wußte Genaueres, wohin er sich gewandt hatte. Vielleicht ein geheimer Regierungsauftrag… oder er war abberufen worden. Die Gerüchte überschlugen sich förmlich. Aber abberufen worden sein konnte er kaum, denn seine Kollegen im Führungsgremium arbeiteten in seinem Sinne weiter.
    Tokolev machte sich darüber keine Gedanken. Wichtig war für ihn nur seine Arbeit und, daß er Erfolge erzielte.
    Er betrat den Untersuchungsraum.
    Lena Petrowna kleidete sich soeben an. Sie schlüpfte in einen tiefschwarzen Overall, der keine Taschen aufwies. Zwei Ärztinnen hatten soeben ihre Untersuchung beendet. Der Gesundheitszustand des Mediums war ebenso wichtig wie die Tatsache, daß sie nichts bei sich trug, das das Entstehen von Ektoplasma auf künstlichem Wege vortäuschen konnte. In dieser Hinsicht ging man auf Nummer Sicher. Die Untersuchungen wurden äußerst penibel durchgeführt; mancher empfand sie als entwürdigend. Lena Petrowna hatte sich selbst einige Male darüber beklagt. Aber es ging nicht anders. Jeder Täuschungsversuch mußte absolut ausgeschlossen sein. Und selbst wenn es an den lauteren Motiven des Mediums keinen Zweifel gab, verlangte die Vorschrift es.
    »Konnten Sie nicht warten, Genosse Doktor?« fauchte Lena Petrowna Tokolev an.
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich wollte mit Ihnen reden, ehe der heutige Versuch beginnt.«
    Er warf den beiden Ärztinnen verweisende Blicke zu. Aber die dachten nicht daran, das Feld zu räumen. Mit Argusaugen beobachteten sie das Medium und den Parapsychologen; sie waren dazu jetzt sogar verpflichtet. Es hätte ja sein können, daß der Wissenschaftler dem Medium nach Abschluß der Untersuchung noch irgend etwas zusteckte…
    Dabei war doch längst alles Routine. Dies war nur einer von zahllosen vorausgegangenen Versuchen, und alle waren hieb- und stichfest gewesen. Trotzdem - die Vorschriften mußten bis auf den letzten I-Punkt eingehalten werden…
    »Was wollen Sie, Genosse Doktor?« fragte die Frau.
    Sie war zierlich gebaut, einen Kopf kleiner als der mittelgroße Parapsychologe. Braunes, kurzes Haar umrahmte teilweise ein Gesicht mit herben Zügen. Lena Petrowna war keine unbedingte Schönheit. Aber darauf kam es auch nicht an. Wichtig war, was in ihr steckte, was ihr Geist hervorbrachte. Im wahrsten Sinne des Wortes.
    »Was empfinden Sie, wenn Sie an den heutigen Versuch denken?« fragte Tokolev.
    »Ärger. Ich möchte nicht. Ich fühle mich nicht wohl.«
    »Weshalb nicht? Sind Sie krank?«
    »Sie ist nicht krank. Zumindest nicht biologisch. Mit der Petrowna ist alles völlig in Ordnung«, bellte eine der beiden Ärztinnen herüber. »Wahrscheinlich hat sie nur keine Lust.«
    Das Medium warf der Ärztin einen zornigen Blick zu. »Sie sind unverschämt«, fauchte sie. »Sie unterstellen mir da etwas…«
    »Ruhe«, rief Tokolev. »Kein Streit. Genossin Petrowna, worauf begründet sich ihr Unwohlsein? Haben Sie… eine Befürchtung?«
    »Wie meinen Sie das?« Sie wirkte nachdenklich und erstaunt.
    Er scheute sich, über seine eigene Empfindung zu sprechen. Er wollte das Medium nicht beeinflussen. Lena Petrowna mußte von sich aus hervorbringen, was sie bedrückte.
    »Nun, es muß doch einen Grund geben«, drängte er. »Vielleicht verbinden Sie eine ungute Erinnerung an das heutige Datum, weil in früheren Jahren vielleicht etwas geschehen ist, das Sie heute noch belastet…?«
    »Nein«, sagte sie. Es klang bestimmt. »Es ist… etwas
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