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04 - Spuren der Vergangenheit

04 - Spuren der Vergangenheit

Titel: 04 - Spuren der Vergangenheit
Autoren: Manfred Weinland
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seiner Botschaft Nachdruck zu verleihen. »Mein Herr ruft nach mir! Ich weiche – aber ich kehre zurück! Ihr werdet teuer für alles bezahlen! Teurer, als ihr in euren schlimmsten Träumen ahnt …!«
    Noch während er das wisperte, begann er zu flackern und wurde durchscheinend, zunehmend unsichtbar. Und mit der Erscheinung verwehte auch die Stimme.
    Dann wurde es dunkel.
    Und still.
    Ah Ahaual glaubte den endgültigen Sieg über den Mann aus Licht errungen zu haben.
    Da wusste er noch nicht, wie teuer sein Volk der Mut, sich gegen das Ende der Welt aufzulehnen, zu stehen kommen würde. Und dass der gerade noch abgewendete Untergang nur aufgeschoben sein sollte …
    13.
    Gegenwart
    Mit Einbruch der Nacht rollte der Ford Mondeo, den Maria Luisa steuerte, in die Einfahrt eines kleinen Häuschens der Gemeinde Rivas-Vaciamadrid, fünfzehn Kilometer südöstlich von Madrid. Das Gebäude hatte seine besten Tage längst hinter sich – genau wie seine Bewohnerin, vermutete Tom.
    Maria Luisa hatte darauf bestanden, ihn mit hierher zu nehmen, wo ihre Großmutter lebte.
    »Allein?«, hatte er gefragt.
    »Ganz allein. Sie fühlt sich noch rüstig – obwohl sie einundneunzig Jahre alt ist – und sie lehnt jede Hilfe ab.«
    »Einundneunzig«, hatte Tom beeindruckt wiederholt.
    »Aber wenn sie dich fragt, wie alt du sie schätzt – das fragt sie jeden, der zum ersten Mal zu Besuch kommt –, darfst du um Himmels willen nicht sagen, dass ich es dir verraten habe. Versuch’s mit Ende sechzig – älter auf keinen Fall, das würde sie dir nicht verzeihen.«
    »Ob Eitelkeit im Erbgut von Frauen verankert ist?«
    Maria Luisa schmunzelte. Die zurückliegenden Ereignisse hatten sie mitgenommen, aber allmählich fing sie sich wieder.
    »Ich glaube, wir reißen sie aus dem Schlaf«, sagte Tom, als Maria Luisa den Motor abstellte und den Schlüssel abzog. Das Haus war dunkel, die Jalousien so lückenhaft, dass man Licht hätte sehen müssen, wenn es dahinter gebrannt hätte.
    »Das denke ich nicht. Sie geht nie früh schlafen.«
    »Aber alles ist dunkel.«
    »Das hat nichts zu sagen. Licht bedeutet meiner abuelita nichts. – Und nun komm endlich.« Sie hebelte die Tür auf und stieg aus. Alejandro folgte, und als Letzter kletterte Tom ins Freie.
    Maria Luisa war bereits an der Tür und betätigte den Ring eines gusseisernen Klopfers, der wie ein Fabelwesen geformt war. Das Licht einer entfernten Straßenlaterne legte sich wie eine zweite Patina über die bizarren Rundungen. Tom fühlte sich sofort ein wenig heimisch.
    Kurz nach dem Klopfen klangen schon schlurfende Schritte auf. »Wer ist da?« Die Stimme klang wenig ängstlich.
    Eher neugierig, befand Tom.
    »Deine Enkelin Maria. Und dein Enkel Jandro. Und … ein Freund.«
    »Maria?« Ein Riegel schnappte zurück. Die Tür sprang auf. »Macht euch Licht«, sagte die alte Dame, die sich nur schemenhaft im Türviereck abzeichnete. »Du weißt, wo der Schalter ist, Kind. Was für eine wundervolle Überraschung. Jandro ist auch dabei? Wie lange habe ich euch nicht mehr …« Sie stockte, kicherte und vollendete ihre Frage mit unverhohlener Selbstironie: »… gesehen?«
    »Lange, abuelita, viel zu lange!« Maria Luisa machte einen Schritt auf sie zu. Ihre linke Hand fand einen in Schulterhöhe angebrachten Kippschalter, den sie umlegte, bevor sie noch einen Schritt machte und ihre unglaublich dünne, unglaublich zäh und selbstbewusst wirkende Großmutter in den Arm nahm. Ausgerechnet die sagte nach kurzem Umschlingen: »Du bist mager geworden, Kleines. Bekommst du nicht genug zu essen? Lässt dein schrecklicher Vater euch etwa Hunger leiden?«
    Maria Luisa zuckte leicht zusammen. Dann sagte sie: »Dürfen wir erst mal hereinkommen?«
    »Natürlich, natürlich. Wo ist der Freund, von dem du gesprochen hast?« Ihr Gesicht wandte sich in Toms Richtung. »Ist er dein Freund? Du weißt schon, was ich meine.«
    Maria Luisa errötete im Schein der Gangbeleuchtung. »Nein, nur ein Freund – ein guter Freund. Er war da, als es passierte. Ich bin … froh, dass er da war.«
    Ihre Großmutter winkte sie mit bestimmenden Gesten ins Haus. »Du machst mir Angst, Kindchen. Kommt rein. Schließt die Tür hinter euch ab. Es ist nicht mehr wie früher. Man ist nirgends mehr sicher vor dem Gesindel. Zweimal im letzten halben Jahr versuchten sie einzubrechen.« Sie hob die Faust in fast komischer Manier. »Aber ich hab’s ihnen gegeben. Ich hab ja noch die Flinte von deinem Großvater. Damit hab
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