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0399 - Totentanz im Urnengrab

0399 - Totentanz im Urnengrab

Titel: 0399 - Totentanz im Urnengrab
Autoren: Jason Dark
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im Sessel weiter vor.
    Über meinen Rücken rann es kalt. Ich konnte kaum fassen, daß es die Knochen der Leichen sein sollten, die dort in die erste Urne gefüllt wurden. Der Häuptling hatte den Deckel abgehoben und ihn neben die Urne gelegt.
    Er ging dabei sehr vorsichtig zu Werke. Seine gekrümmten Handflächen erinnerten an große Löffel, und er sah zu, daß nicht ein Knochen neben die Urne fiel. Auch der Staub wurde aufbewahrt.
    Erst als er die Tonschale gekippt und auch den letzten Rest in seine Handfläche gefüllt hatte, war er zufrieden und konnte sich nun der zweiten Schale zuwenden.
    Auch hier ließ er sich Zeit. Mir kam es so vor, als hätte der Häuptling dies nicht zum erstenmal gemacht, und abermals stellte ich mir die Frage, welch ein Zauber dahintersteckte?
    Der Film riß mich in seinen Bann. Diese auf die Leinwand gebrachte Realität war für mich faszinierend und abstoßend zugleich.
    Was wußten wir Europäer schon von den Naturvölkern des Dschungels? So gut wie nichts. In diesen tiefen tropischen Regenwäldern lauerten noch zahlreiche Geheimnisse, die wir, so alt wir auch wurden, wohl niemals richtig ergründen konnten.
    Den Inhalt der dritten Schale füllte der Häuptling ebenfalls sehr sorgfältig in das gläserne Gefäß und richtete sich erst dann aus seiner knienden Haltung auf.
    Trotz der finsteren Bemalung auf seinem Gesicht war der zufriedene Ausdruck zu erkennen.
    »War’s das?« fragte ich.
    »Leider nicht.«
    »Wieso?«
    Der Diplomat neben mir atmete tief ein. »Es geht noch weiter«, erklärte er stöhnend. »Als ich das sah, hatte ich das Gefühl, einen Alptraum zu erleben und verrückt zu werden.«
    Da er keinen Kommentar mehr abgab, stellte ich auch keine weiteren Fragen mehr und schaute zu, wie die Indianer mit ihrem Ritual begannen.
    Es war der Totentanz!
    Sie hatten einen Kreis um die Leichen und die zu ihren Füßen stehenden Urnen gebildet, deren Inhalt jetzt aus Knochen und Menschenasche bestand.
    Ich hatte schon Filme über die Sitten und Gebräuche der Naturvölker gesehen, aber nie einen Tanz erlebt wie diesen hier, denn niemand aus dem Dorf schlug ein Musikinstrument an. Da wurde auf keine Trommel geschlagen, da spielte niemand sonst ein Instrument, es klatschte auch keiner in die Hände, nur die dumpfen Laute aufstampfender Füße hallten über den Platz.
    Oftmals ist es so, daß ein Tanz an Wildheit zunimmt, je länger er dauert.
    Nicht bei dem, den wir sahen. Die Tänzer hielten sich zurück, als wollten sie die Ruhe der Toten auf keinen Fall stören. Gleichmäßig blieben die Bewegungen, nicht ein Schrei drang aus den geöffneten Lippen, um irgendwelche Geister zu vertreiben. Die relative Ruhe des Tanzes war schon ungewöhnlich.
    Trotzdem zog er mich in seinen Bann. Man lernt im Leben nie aus, auch ich lernte hier zu, und es war der Häuptling, der sich aus dem Kreis der tanzenden Männer löste und einen engeren direkt um die drei Leichen und deren Urnen zog.
    Dabei beugte er seinen Oberkörper weit vor. Die Tatsache bewies seine Gelenkigkeit, und er schaute bei seinen kreisförmigen Bewegungen starr auf die Toten.
    Diesmal blieb er nicht ruhig.
    Aus dem offenen Mund drangen unartikulierte Laute, aus denen ich Silben oder Worte entnehmen konnte. Nur eben diese heiseren, manchmal kehligen Schreie, und ich fragte meinen Landsmann nach der Bedeutung.
    »Das weiß ich auch nicht. Vielleicht hat er ihnen soeben das Leben eingehaucht.«
    »Meinen Sie?«
    »Schauen Sie weiter zu, Mr. Sinclair.«
    Ich beobachtete den Häuptling, der plötzlich aufhörte und steif stehen blieb.
    Die Arme hochgestreckt und die Hände über dem Kopf zusammengelegt, um sie einen Augenblick später wieder blitzschnell fallen zu lassen.
    Sie pendelten über den Leichen, bevor sie allmählich ausschwangen.
    Das also war es.
    Die anderen traten zurück. Sie verschwanden wie Schatten in den Hütten und ließen sich nicht mehr blicken.
    Ein düsterer Dorfplatz blieb zurück, über den der Atem des Todes wehte.
    Irgend etwas kam von der Leinwand zu mir herüber. Auch ich spürte, wie die Spannung allmählich von mir abfiel, ich mich aber nicht entspannte, denn die Worte meines Nebenmannes heizten mich wieder auf. »Warten Sie ab, Mr. Sinclair, die heißeste Sache kommt noch.«
    »Und die wäre?«
    »Schauen Sie auf die Toten!«
    Es hätte seiner Aufforderung nicht erst bedurft, das tat ich sowieso, denn nichts anderes als die drei Zombies zeigte das Bild auf der Leinwand. Sie lagen auf dem Rücken,
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