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0396 - Leonardos Zauberbuch

0396 - Leonardos Zauberbuch

Titel: 0396 - Leonardos Zauberbuch
Autoren: Werner Kurt Giesa
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da?«
    Gambino sprang unwillkürlich zurück. Er starrte den zerfallenen Marmor an.
    »Na, den können wir wegwerfen… er ist brüchig geworden, porös! Der Dämon…«
    Terzotti nickte. Seine Hand glitt über den Marmor. Als ging eine unsichtbare Kraft von dieser Hand aus, zerfiel der Altar immer weiter. Die ehemals blanke Oberfläche mit dem Schattenriß des Opfers zerpulverte. Ein Schattenriß, der eine böse Erinnerung in Gambino wachgerufen hatte. Er war weit gereist, hatte viele Orte der Welt gesehen. Er war auch in Nagasaki gewesen. Er hatte die Trümmer der im Atomorkan untergegangenen Stadt gesehen und die Schatten, die in den Stein eingebrannt waren. Schatten von Menschen, die vom Atomblitz einfach ausgelöscht worden waren, verdampft, zu Nichts geworden innerhalb einer einzigen Sekunde. Nur ihre Schäften im Stein waren zurückgeblieben.
    So war es auch hier…
    »Komm«, sagte Terzotti. »Laß uns die Kerzen löschen. Und dann…«
    Gambino nickte. Dann - mußten sie sich um den Toten kümmern. Sie waren beide sicher, daß er tot war.
    Gambino fühlte eine unerklärliche Scheu. Die Angst sprang ihn wieder an, als er den am Boden liegenden Sektenangehörigen berührte. Er war schon kalt, innerhalb der wenigen Minuten, die vergangen waren. Eine knappe Stunde vielleicht, mehr nicht. Aber sein Körper war kalt und steif, als liege er schon einen ganzen Tag hier. Der Mann war kaum wiederzuerkennen. Sein Gesicht war zu dem eines Greises geworden, sein Haar schlohweiß, und als Terzotti mit der Hand darüber strich, fiel es büschelweise aus. Die weit aufgerissenen Augen des Toten waren stumpf und tiefschwarz. So, als sei etwas in seinem Inneren verbrannt worden, als der Schatten des Dämons über ihn fiel und ihm die Seele entriß, um sie in den Höllenschlund zu entführen.
    »Verdammt«, murmelte Gambino schaudernd.
    »Wir müssen sehen, daß wir ihn loswerden«, sagte Terzotti heiser. »Faß mit an. Wir schaffen ihn in meinen Wagen.«
    Sie verstauten den Leichnam im Kofferraum der großen Mercedes-Limousine. Dann kehrten sie in die geheimen Gewölbe unter der Lagerhalle zurück. Sie schnürten die Kleidung des Toten zu einem Bündel zusammen. »Die Wasser des Lambro werden ihn und seinen Besitz davontragen«, sagte Terzotti rauh.
    Gambino berührte den Arm des Sektenführers. »Einer wird uns verraten«, sagte er.
    Terzotti wandte den Kopf. »Ja.«
    »Wer? Warum? Und woher willst du es wissen?«
    Terzotti lächelte kühl. »Wer? Ich weiß es nicht. Warum? Ich weiß es auch nicht. Aber ich habe es errechnet. Es wird geschehen, schon bald. Wenn du das Buch so gut kennen würdest wie ich, könntest du es auch errechnen. Das Buch hat es mir verraten. So wie es mir viele Dinge verriet. Wer seine Geheimnisse erkennt, der ist in der Lage, die Zukunft zu sehen -wenigstens teilweise.«
    »Und du kennst seine Geheimnisse.«
    Terzotti nickte. »Ich habe es lange genug studiert. Hier.« Er schlug das riesige Buch mit dem ledernen Einband auf. Das Buch war gut zwanzig Zentimeter dick, und seine Höhe betrug fast einen halben Meter. Es war fas zwanzig Kilo schwer, und seine Seiten waren gefüllt mit einer altertümlichen Schrift und zahlosen Zeichnungen. Symbole von Dämonensiegeln und Bannern, Beschwörungsformeln, Anrufungen… immer wieder, wenn Gambino es in die Hand nahm, erinnerte es ihn an das Necronomicon, das furchtbare Buch der Schwarzen Magie, von dem wahnsinnigen Araber Abdul Alhazred verfaßt. Viele zweifelten die Existenz des Necronomicon an, aber Gambino hatte es gesehen. Doch er hatte sich gehütet, darin zu lesen. Dieser Wälzer hier erinnerte ihn immer wieder an jenes sagenumwobene Buch.
    Aber es war nicht mit ihm identisch, war auch keine Kopie.
    »Du solltest auch ein wenig Zeit opfern, es zu studieren«, sagte Terzotti. »Du bist nach mir derjenige in unserer Sekte, der am meisten über Magie und magische Zusammenhänge weiß Kein anderer hätte heute die Zeremonie zum Abschluß führen können, als ich… nicht mehr konnte. Als ich erschöpft war. Ich weiß immer noch nicht, wie ich die Nähe des Höllenfürsten ertragen konnte. Es ist gut, daß du da warst. Aber du weißt noch zu wenig. Studiere das Buch. Vielleicht… wirst du mich irgendwann ersetzen müssen, Giorgio.«
    Gambinos Augen wurden schmal. »Was willst du damit sagen?«
    »Niemand lebt ewig, Giorgio…«
    Gambino trat neben ihn. Er begann in dem Buch zu blättern, wahllos, wie er es noch nie zuvor getan hatte. Plötzlich erstarrte
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