Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0388 - Der Tote mit meinem Gesicht

0388 - Der Tote mit meinem Gesicht

Titel: 0388 - Der Tote mit meinem Gesicht
Autoren: Der Tote mit meinem Gesicht (1 of 2)
Vom Netzwerk:
ließ sich nicht mehr feststellen. Es mußte Jahre her sein. Wie mir »Dracula« erzählt hatte, strapazierte »Giftzahn« schon seit langem die Nerven der Untersuchungsgefangenen im Flügel A des Gefängnisses.
    Der Wärter hieß in Wahrheit Simon Pessin und gehört sicherlich zu den boshaftesten Menschen, die jemals meinen Weg gekreuzt haben. Der Mann war feist und schmuddelig, und seine Haut erinnerte an die Oberflächenbeschaffenheit eines halb durchbratenen Steaks.
    Jetzt walzte der Kerl mit zwei Schritten in die Zelle, versetzte »Dracula« einen Stoß in die Rippen und röhrte mit heiserer Stimme, die aus den Tiefen eines gewaltigen Brustkastens kam:
    »Hier wird nicht herumgeschmiert, Strolch.«
    Ein schwerer Arbeitsschuh aus steifem, rissigen Leder scharrte über den Boden, zerkratzte »Draculas« Geduldsspiel-Zeichnungen, verwischte die Kreidestriche und machte sie gleich mit dem Schmutz, der wie ein dünner Film auf dem Boden lag.
    Ohne ein weiteres Wort stapfte »Giftzahn« hinaus. Krachend fiel die Stahltür ins Schloß. Der Riegel ratschte. Es war ein Laut, der mich so angenehm berührte wie eine Eisenfeile auf dem Rückenmark.
    »Dracula« richtete sich auf. Sein Blick war flach wie der Wasserspiegel einer Badewanne.
    »Den Hund bringe ich noch mal um«, murmelte Aldo Santini. »Und wenn sie mich deswegen…« Er ließ es offen, was sie mit ihm anstellen würden.
    Dieser Vorfall, der mir zu jenem Zeitpunkt wie eine Bagatelle zu sein schien, war mein zweites Zusammentreffen mit dem Wärter Simon Pessin, genannt der »Giftzahn«.
    Vier Tage später steckte mir der Gefängnisaufseher einen Kassiber zu. Und damit kam die Kugel ins Rollen, auf die ich es von Anfang an abgesehen hatte. Aus den Vorgängen um einen Mord wurde eine Lawine, die mich mitzureißen und zu zerschmettern drohte.
    ***
    Es war Samstag. Über Los Angeles lag eine fiebrige Hitze. Die Luft schien zu zittern. Die Straßen schienen sich in graue Adern verwandelt zu haben, in denen träge der Verkehr floß, wie eingedickt in den weichen warmen Teer der Fahrbahn.
    Auf dem Internationalen Flughafen von Los Angeles landete pünktlich die 16-Uhr-Maschine aus New York. Einer der ersten Fluggäste, die den silbrigen Riesenvogel verließen, war ein mittelgroßer, sportlicher junger Mann. Er trug den Hut in der Hand, so daß die Nachmittagssonne das glänzende Blondhaar zum Schimmern brachte.
    Der Mann ging über, das Rollfeld, tauchte in die Kühle der Flughalle, durchquerte sie, passierte den Ausgang und stieg in ein Taxi.
    »Center Street, Nummer zwölf«, sagte der Blonde zum Driver. Dann zog der Wagen an und fädelte sich in den Verkehr, der in Richtung Innenstadt flutete. Die Fahrt dauerte nicht lange. Knapp zwanzig Minuten später stieg der Blonde aus, entlohnte den Chauffeur und sah sich in der sonnendurchfluteten Straße um. Sie war kaum belebt in diesem Teil zwischen der Highland Ave und dem Sepulveda Boulevard. Auf beiden Seiten standen graue, schmucklose, alte Häuser eng nebeneinander — in Reihen gefügt wie Soldaten während der Parade.
    Die wenigen Schaufenster zeigten nur dürftige Auslagen. Die Hauseingänge wären bröcklig. Auf den Schwellen und Stufen hockten spielende Kinder. Es war eine ärmliche Gegend.
    Der schwarze Buick vor »Billys Snack-Bar« paßte nicht in das Straßenbild. Es handelte sich um einen gepflegten Wagen, außerdem war er neu.
    Der Blonde bemerkte das Fahrzeug, und für einen Augenblick schien es, als wolle er darauf zugehen. Dann aber lenkte er seine Schritte auf eine schmale Gasse zu, die sich wie ein Schlauch zwischen zwei Häusern öffnete. In dieser Gasse lag Frank Davies' Glaserei-Betrieb, der nur aus einem Hinterhof, einer engen Einfahrt und einem Schuppen bestand. In dem Schuppen waren ein Waschraum, eine unvollständig eingerichtete Werkstatt und ein dürftig möbliertes Zimmer untergebracht.
    An der Eingangstür klebte ein Siegel der Stadtpolizei.
    Der Blonde betrat den Hof, ließ den Blick über die kahlen, fensterlosen Rückwände wandern, die das Geviert begrenzten, und schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Der Schuppen hatte eine Tür und zwei Fenster. Die schmutzigen Scheiben glotzten wie erloschene Augen.
    Ein Stein zerknirschte unter einem harten Absatz. In der Stille wirkte der winzige Laut grell und scharf. Der Blonde fuhr herum, seine Augen verengten sich, und die Muskeln unter der glatten Gesichtshaut wurden Straff.
    Jetzt waren sie da. -Er hatte es geahnt.
    Sie waren zu zweit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher