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0388 - Der Tote mit meinem Gesicht

0388 - Der Tote mit meinem Gesicht

Titel: 0388 - Der Tote mit meinem Gesicht
Autoren: Der Tote mit meinem Gesicht (1 of 2)
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kann zutreffen. Was wirklich dahinter steckt, werden wir noch klären. Vorläufig aber sind Sie verhaftet, Bob Cassidy.«
    Seufzend schüttelte ich den Kopf. »Dann verraten Sie mir doch wenigstens, weswegen ich diesen Korman — oder wie auch immer Sie Ralph Quaid nennen wollen — umgebracht haben soll!«
    Ich warf Massa und Netti einen Blick zu. Die beiden verfolgten jedes Wort mit äußerster Spannung.
    Roon sagte: »Das ist sonnenklar. Sie haben es auf die Unterlagen abgesehen. Auf die Pläne, die den Treibstoff TV 100 betreffen. Auf die Pläne, über die sonst niemand in der Welt verfügt«. Der Leutnant machte eine Pause, strich sich wieder das Haar an den Schläfen glatt und fuhr dann fort: »Korman hatte die Pläne. Wahrscheinlich haben Sie sie jetzt. Sie waren heute nacht unterwegs. Es sollte mich nicht wundern, wenn diese Fahrt mit den Plänen zusammenhängt. Meiner Ansicht nach haben Sie die Pläne entweder geholt und irgendwo versteckt oder — und das halte ich für wahrscheinlicher — Sie haben die Pläne von hier aus irgendwohin gebracht und dort versteckt Ich nehme an. Korman hatte die Unterlagen bai sich. Und nachdem Sie ihn erschossen hatten, konnte er ja nicht mehr verhindern, daß Sie die Pläne an sich nahmen.«
    ***
    Das Untersuchungsgefängnis von Los Angeles liegt im Norden der Stadt. Es besteht aus einem grauen Betonwürfel, der sich von den anderen Gebäuden in diesem Viertel wie ein fauliger Apfel in einem Korb leuchtender Früchte abhebt. Die Insassen des Untersuchungsgefängnisses tragen Zivilkleidung, dürfen rauchen und sich Mahlzeiten aus Restaurants kommen lassen. Die Untersuchungsgefangenen dürfen Zeitungen und Bücher lesen. Sie genießen — als Noch-Nicht-Verurteilte — eine Menge Vorrechte nur das wichtigste, die Freiheit, ist ihnen wie allen Gefangenen verwehrt.
    Seit gestern hauste ich in der Zelle 777. Bisher hielt ich die Sieben für meine Glückszahl.
    Mein Zellengenosse hieß Aldo Santini und war ein mausartiger, grauköpfiger Bursche mit langen Schneidezähnen und grausamem Blick. Irgendwie erinnerte er mich an die Dracula-Figuren gewisser Horror-Filme. Ich sagte es ihm, worauf er in ein grelles Kichern ausbrach und mir kund tat, daß »Dracula« sein Spitzname in der Unterwelt Der Staatsanwalt war zur Zeit damit beschäftigt, »Dracula« einen Raubmord nachzuweisen. Ich befand mich also in bester Gesellschaft, Die Zelle enthielt nichts außer zwei schäbigen Betten — übereinander, einem Schrank, einem wackligen Tisch und zwei dreibeinigen Schemeln. »Dracula« pflegte seine Zeit mit idiotischen Geduldsspielen abzukürzen. Ich widmete mich dem Studium der Presse.
    Es war erstaunlich, in welchem Ausmaße die Journalisten über mich und meinen Fall berichteten. Ich war fotografiert worden, und mein Bild erschien in jedem Blatt, das sich an der Westküste kaufen ließ. Alle Reporter schienen von meiner Schuld überzeugt zu sein. Es wurde zwar nirgendwo direkt ausgesprochen, war aber zwischen den Zeilen deutlich zu lesen. Alle glaubten, daß ich jetzt im Besitz der TV-100-Pläne sei, beziehungsweise, daß ich als einziger wisse, wo sie versteckt, seien.
    Da die Unterlagen für die nationale Verteidigung von enormer Wichtigkeit waren, machten einige Journalisten in ihren Artkeln allen Ernstes den Vorschlag, mich ungeschoren laufen zu lassen — falls ich das Versteck verrate.
    Es war kurz vor neun Uhr morgens. Hinter dem vergitterten Fenster stand der Himmel wie eine meerblaue Wand, Ich lag auf meinem graubezogenen Bett, hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und ließ keinen Blick von dem kleinen Ausschnitt Freiheit, das durch die Gitterstäbe hereinblinkte.
    »Dracula« kroch auf dem Boden herum. Er bewegte sich wir eine riesenhafte, altersschwache Maus. In der Rechten hielt er einen Kreidestummel, den er sich irgendwo besorgt hatte. »Dracula« malte Kästchen und Kreuze auf den schmutzigen Fliesenboden. Als ich einmal den Blick vom Fenster losriß und auf den Raubmörder richtete, schob er den Kreidestummel gerade auf einer T-förmigen Zeichnung entlang. Ich kam nicht dahinter, was es mit diesem Geduldsspiel auf sich hatte, und ich sparte es mir, danach zu fragen.
    Klirrend wurde wenige Augenblicke später der Riegel unserer Zellentür zur Seite geschoben. Das schwere Rechteck aus Stahlblech schwang auf, und »Giftzahn« schob seinen Vierkantschädel in unsere Behausung.
    »Giftzahn« war ein herkulischer Gefängnisaufseher. Wer ihm den Namen gegeben hatte,
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