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0367 - Der Hexenbaum

0367 - Der Hexenbaum

Titel: 0367 - Der Hexenbaum
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Ranix dort finden? Schließlich handelte es sich nicht um einen Flecken von gerade mal ein paar hundert Quadratmetern, sondern um ein größeres Gelände! Sonia wurde unsicher. Sybil hatte ihr kein Erkennungszeichen gegeben, und in der Unmenge an Menschen in Badekleidung konnte sie lange suchen, bis sie die Hexe fand. Kurz keimte der böse Verdacht in ihr auf, daß Sybil sie nur hereingelegt hatte.
    Aber dann sah sie die Hexe plötzlich. Sie lehnte an einem mobilen Imbißstand und sah Sonia mit spöttischem Lächeln entgegen. Trotz der sommerlichen Hitze trug sie einen schwarzen Overall. Zwischen der schwarzen Haarflut und dem Overàll war ihr Gesicht ein blasses Oval.
    »Du bist zwei Minuten zu spät«, empfing sie Sonia.
    »Ich wußte nicht, wo ich dich hier finden sollte«, beschwerte Sonia sich. »Du hättest mir wenigstens einen kleinen Hinweis geben können…«
    »Du brauchst mich nicht zu suchen. War es dir nicht klar, daß ich dich finden würde? Aber du hast den Strand zwei Minuten zu spät… nun, egal. Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige, nicht die Pflicht der Hexen. In anderen Dingen ist allerdings äußerste Sorgfalt angesagt. Komm, wir suchen uns ein Stück Schatten.«
    Sie ging zu einem kleinen Strandcafé, wo sie sich an einem runden Tisch unter einem Sonnenschirm niederließen. Trotz der Menge der Gäste bekamen sie ihre Getränke recht schnell. Sonia beugte sich leicht vor. Sie sah Sybil forschend an. »Nun?«
    »Was, nun?« gab die Hexe zurück.
    »Hilfst du mir, eine Hexe zu werden?«
    »Eine Hexe wird man nicht - man ist es«, gab Sybil zurück. »Außerdem gibt es solche Hexen und andere. Die einen arbeiten mit Weißer Magie, führen Liebeszauber durch, mischen Mixturen aus Heilkräutern, die anderen wenden die hohe Kunst des Schadzaubers an, die Schwarze Magie.«
    »Du bist eine schwarzmagische Hexe, nicht?« sagte Sonia erregt.
    »Ja«, sagte Sybil. »Du hast es schon gestern erraten. Es gibt für dich zwei Möglichkeiten. Entweder hast du die Veranlagung, zu sein wie ich, oder du überlebst diesen Tag nicht mehr. Es darf keinen Verrat geben. Wir arbeiten nicht öffentlich. Wer uns erkennt, ist einer von uns, oder er lebt nicht mehr lange.«
    Sonias Mundwinkel zuckten leicht. »Du - du würdest mich töten?«
    »Selbstverständlich«, sagte Sybil gelassen. »Es ist ganz einfach. Ich brauche nur deinen Herzschlag anzuhalten. Aber das wäre zu primitiv. Ich liebe das Ausgefallene. Du darfst dir deine Todesart selbst aussuchen - im Rahmen der Möglichkeiten, die ich dir anbiete.«
    Sonia sah in Sybils Augen, daß die Hexe es ernst meinte. Tödlich ernst!
    »Aber - warum hast du dann gestern zugegeben, daß du eine Hexe bist? Hattest du dich etwa…«
    »Verplappert?« Sybil lachte spöttisch. »Nein. Ich habe mich absichtlich offenbart. Entweder bist du in der Lage, eine von uns zu sein, und wir haben eine neue Schwester gewonnen, oder - ich habe ein neues Opfer. Zuweilen muß man ein wenig üben, und zuweilen werden auch Opfer für den Satan gebraucht. Du verstehst? Es war also für mich kein Risiko. Du wirst so oder so schweigen.«
    Sonia schluckte.
    »Und welchen Grund hast du, eine Hexe sein zu wollen?« fragte Sybil. »Du mußt schon einen sehr guten Grund haben.«
    »Soll ich dir meine Lebensgeschichte erzählen?« fragte Sonia verdrossen und unbehaglich.
    »Du brauchst sie nur zu denken«, sagte Sybil. Sie streckte die Hand aus. Wie unter Zwang kroch Sonias Hand ihrerseits über den Tisch. Die Fingerspitzen berührten sich. Sonia glaubte, daß eine eisige Kälte von Sybils Fingern ausging und durch Sonias Arm kroch. Eine Kälte, die sich in ihr auszubreiten begann und etwas aus ihr saugte.
    Aber vielleicht war das nur Einbildung.
    »Ein natürliches Interesse an Magie«, sagte Sybil leise. »Ein Urlaubserlebnis auf Haiti. Der Versuch, zu ergründen, was da geschah. Das Scheitern. Ein Mann, den du liebtest. Der über dein Interesse am Okkulten lachte. Der die Bücher, die du dir kauftest, zwar auch las, aber spöttische Bemerkungen hineinkritzelte. Der dich einmal im Gespräch unter Freunden lächerlich machte… er war betrunken… du merktest,, daß du nur ein Spaziergang für ihn warst, ein hübsches Püppchen mit Spaß am Sex… du haßt ihn. Du hast ihn fortgejagt aus deiner Wohnung.«
    Sybil löste die Berührung. »Das ist alles?« fragte sie kopfschüttelnd. »Deshalb möchtest du eine Hexe werden? Nur weil jemand deine Interessen nicht teilte und dich
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