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036 - Die Hand des Würgers

036 - Die Hand des Würgers

Titel: 036 - Die Hand des Würgers
Autoren: Maurice Limat
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Nervosität, und es gelingt mir, das Kichern zu unterdrücken.
    Mit der linken Hand stelle ich das Kästchen auf meinen verstümmelten rechten Unterarm. Ich halte es fest. Dann lausche ich. Monsieur Feras ist im Zimmer über mir. Er schläft. Er kann nicht hören, daß ich dabei bin, ihm etwas zu stehlen. Er fürchtet nichts. Hat er wirklich nichts zu fürchten?
    Nicht denken, Pascal. Nichts suchen, nicht warten. Zu Corinne zurückkehren, Pascal. Sie wartet ja.
    Ich drücke das Kästchen an mich, diesen Schatz, der das Böse enthält, kehre zur Diele zurück und lausche wieder. Nichts ist zu hören. Monsieur Pascal schläft. Er ahnt nichts.
    Dann stehe ich wieder im Garten. Nun können mir die Schmetterlinge nichts mehr anhaben. Und jetzt lache ich, weil ich sie überwunden habe.
    Ich klettere über die Mauer, froh darüber, daß mir die Schmetterlinge nicht gefolgt sind, daß Monsieur Feras nicht aufwachte.
    „Da bist du ja. Hast du das Kästchen mitgebracht?“
    „Ja.“
    Sie hat mich erwartet. Wie mich ihre Gegenwart verzaubert! Aber ich weiß doch, daß sie nicht mich, sondern das Kästchen erwartet hat. Aber egal, daß ich nur der Bote bin.
    „Komm!“
    Ich folge ihr wie ein Automat. Mit einer ungeduldigen Handbewegung hat sie mir das Kästchen abgenommen. Sie scheint es nicht mehr erwarten zu können, dessen Inhalt zu sehen.
    Sie schiebt mich wieder zu dem Schuppen, in dem wir uns vorher unterhalten haben. Dort hat auch Faraud gewartet, und sie hat ihn an die Kette gehängt. Mein Hund freut sich, daß ich wieder da bin. Ich tätschle ihm den Kopf. Er weiß, daß ich ihn nie verlassen werde.
    „Sag ihm, er soll still sein!“ fährt sie mich an.
    Ich weiß, daß ich mein Leben lang immer unter liebloser Behandlung leiden werde, daß man mich immer herumschieben, immer kommandieren wird. Wenn sie es tut, macht es nichts. Corinne. Sie ist auch nervös, ebenso wie ich.
    Und wer bin ich schon? Ihr Sklave, und ich bin glücklich darüber. Corinne, dir gehöre ich mit Leib und Seele.
    Sie hat das Kästchen auf einen Gartentisch gestellt, der im Schuppen steht und eine Taschenlampe eingeschaltet, deren Strahl nicht so stark ist, daß er nach draußen dringen könnte. Die Tür ist geschlossen. Ich bin so glücklich, daß sie bei mir in diesem Raum ist.
    „Corinne.“
    „Mach keine Dummheiten!“
    Wahrscheinlich ist es ihr nicht recht, daß ich ihren Namen ausspreche. Sie hat mich also auf meinen Platz verwiesen mit einer Autorität, der ich gehorchen muß. Aber ich weiß nicht recht, was ich nun tun soll. Wenn ich mich ganz still verhalte, wird sie vielleicht meine Ungehörigkeit vergessen, daß ich ihren Namen ausgesprochen habe.
    Sie beschäftigt sich mit dem Kästchen; sie betastet es, dreht es um und besieht es von allen Seiten.
    „Du Dummkopf! Konntest du mir nicht auch gleich noch den Schlüssel mitbringen?“
    Was? Nun macht sie mir auch noch Vorwürfe? Dann hätte ich alles umsonst getan? Corinne ist nicht zufrieden mit mir?
    „Aber ich weiß doch nicht, wo er ist!“ stottere ich.
    „Aber du wußtest doch, daß das Kästchen abgesperrt ist. Ich muß es öffnen. Also brauche ich den Schlüssel.“
    Sie stampfte zornig mit dem Fuß auf. „Du bist ein Idiot, Pascal! Nun muß ich es so zu öffnen versuchen. Wie soll ich das ohne Schlüssel tun? Ich darf doch das Schloß nicht verletzen. Warte hier auf mich.“
    Sie wendet sich zum Gehen, offensichtlich um einen Schlüssel zu holen, mit dem sie alles aufsperren kann. Aber in dem Moment, wo sie den Schuppen verlassen will, ertönt eine männliche Stimme, eine sehr ruhige, fast leise Stimme.
    „Machen Sie sich keine Mühe, meine liebe Corinne. Ich bringe Ihnen den Schlüssel.“
    Ich bin wie vom Blitz erschlagen, Corinne ebenso. Eine Gestalt kommt aus der Dunkelheit auf uns zu. Es ist Monsieur Feras. Sein Gesicht kann ich nicht sehen, aber ich kann mir vorstellen, daß er lacht, daß seine lebhaften Augen vor boshaftem Vergnügen funkeln.
    Er ist vollständig angekleidet, und ich vermute, daß er sich in Wirklichkeit gar nicht schlafen gelegt hatte. Wahrscheinlich hat er mein Eindringen in sein Haus genau verfolgt. Im Lichtschein der Taschenlampe sehe ich den Schlüssel, den er in der Hand hält, einen kleinen, vielfach gezackten Schlüssel.
    „Nun, wollen Sie nicht aufmachen?“
    Corinne ist verblüfft, verwirrt, voll Angst. Ich weiß, sie hat entsetzliche Angst. Ich würde sie gerne in Schutz nehmen, aber ich weiß nicht recht, wie weit ich dabei gehen
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