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0355 - Die Bande der Nachzehrer

0355 - Die Bande der Nachzehrer

Titel: 0355 - Die Bande der Nachzehrer
Autoren: Jason Dark
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Frau lächelte.
    »Weißt du was, Helga? Ich versuche es noch einmal.«
    »Was?«
    »Einen Ausreiseantrag zu stellen. Wir müssen sehen, daß wir hier wegkommen. Vielleicht erleben wir den Sommer schon in Bayern oder im Schwarzwald…«
    Die Frau lächelte verloren. »Das ist lieb gemeint, Karl, aber es hat doch keinen Sinn. Du weißt, daß man uns drei Anträge abgelehnt hat. Einen vierten werden sie sofort in den Papierkorb werfen.«
    »Sag das nicht. Ich habe vor kurzem einen Polit-Kommissar kennengelernt und mit ihm getrunken. Als er steif war, habe ich ihn gefragt, und er meinte, daß sich das Klima allmählich bessert. Unser großer Staatspräsident war vor kurzem erst in Deutschland. Die anderen haben die Besuche abgesagt, er nicht. Das empfinde ich als ein gutes Zeichen, glaub mir das, meine Liebe.«
    »Wenn du meinst, ich für meinen Teil will dir die Hoffnung nicht rauben.«
    »Einverstanden. Kann ich denn jetzt auspacken?«
    »Natürlich.« Helga lächelte und strich ihrem Mann über die Wange. Auch Karl war älter geworden. Im nächsten Jahr wurde er 50. Eigentlich kein Alter, um noch einmal neu anzufangen, aber das sagte sie ihm nicht. Sie wollte ihm nicht die letzte Hoffnung rauben.
    »Es gefällt mir trotzdem nicht hier. Ich gehe nach draußen.«
    »Es ist doch dunkel. Was willst du denn da?«
    »Frische Luft schnappen.«
    »Willst du nicht lieber nach Hause?« fragte er.
    »Nein, das nicht. Ich möchte nur einmal um den Platz gehen und bin gleich wieder da. Dann helfe ich dir auch. Zunächst möchte ich mit meinen Gedanken ins reine kommen.«
    »Wie du willst. Aber hast du keine Angst? Du wirst allein draußen sein.«
    »Nicht weit entfernt sind ja die ersten Häuser. Laß mal, ich fürchte mich nicht.«
    »Meinetwegen.«
    Helga Koppec ging. Und sie gestand sich ein, ihren Mann belogen zu haben. Natürlich hatte sie Angst, sie dachte auch wieder an die warnenden Worte des alten Mannes, aber das brauchte Karl nicht zu wissen. Er hatte jetzt andere Sorgen.
    Sie öffnete die Hintertür der kleinen Bude und spürte sofort die Kälte, die ihr entgegendrang. Vor den Lippen bildete der Atem kleine Wolken. Es hatte gefroren, war schneekalt, aber die weißen Flocken hatten sich noch zurückgehalten.
    Helga und ihr Mann waren die letzten, die noch arbeiteten, aber Karl wollte das eingeschmuggelte Gut eben am späten Abend auspacken und kein Schwätzchen mit den anderen halten, um sich dabei noch beobachten zu lassen.
    Das war eben nicht seine Art. Er war sowieso mehr ein Einzelgänger. Sehr viel Kontakt hatten sie im Dorf nicht.
    Der Weihnachtsmarkt hatte im Laufe der Jahre Berühmtheit erlangt. Und in jedem Jahr kamen neue Buden hinzu. Zum erstenmal hatten sie auf ein Gelände am Rande des Ortes ausweichen müssen. Hier war soviel Platz, daß jede Bude ihren Standort finden konnte und die Gassen zwischen ihnen auch breit genug waren, um mehr Menschen hindurchzulassen, die dazu noch bequem an den Ständen Platz fanden, um die entsprechenden Geschenke kaufen zu können.
    Helga Koppec ging um ihren Stand herum und erreichte an der Vorderseite die Hauptgasse zwischen den Ständen. Hier schlenderte sie entlang, den Blick dabei zu Boden gerichtet, auf dem hin und wieder das dünn wachsende Gras kleine Inseln bildete.
    Sie wollte nur ein paarmal hin und herlaufen, um nachdenken zu können. Zudem tat ihr die Stille gut.
    Das Dorf lag so weit entfernt, daß der Schein der Lichter darauf konzentriert blieb und auch nicht in seinen Ausläufern die Ansammlung der Verkaufsstände erreichte.
    Im Dorf, es hieß Hacea, bewohnten sie für die Zeit ihres Aufenthaltes ein Zimmer. Es wurde ihnen stets für die Zeit des Marktes reserviert. Ein richtiges Zuhause besaßen die Koppecs nicht. Sie waren Reisende, die das Jahr über von einem Jahrmarkt und Fest zum anderen zogen, um ihren Krimskrams zu verkaufen.
    Viel Geld brachte das nicht ein. Sie hielten sich so über Wasser, und es ging ihnen noch immer besser als dem Großteil der Bevölkerung, Parteibonzen ausgenommen.
    Die Nacht war kalt geworden. Helga stellte auch den Kragen ihres Pelzmantels hoch und schaute auf ihre Stiefelspitzen, während sie sich Schritt für Schritt vom Verkaufswagen entfernte.
    Es waren keine guten Gedanken, die sie auf ihrem Weg begleiteten. Sehr oft mußte sie an die Worte des fremden Mannes denken, der sie gewarnt hatte, nicht auf diesem Platz den Wagen aufzustellen. Er hatte auch mit den anderen Schaustellern gesprochen. Die hatten ihn ebenso
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