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0269 - Der Höllenspiegel

0269 - Der Höllenspiegel

Titel: 0269 - Der Höllenspiegel
Autoren: Werner Kurt Giesa
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wollte dir keine Vorstellung liefern«, sagte sie. »Du solltest wissen, daß Nacktheit -nicht nur bei mir - manchmal keine eindeutige Aufforderung ist, sondern das Gefühl unbegrenzter totaler Freiheit. Frei von allen Zwängen und Konventionen. Frei von allem…«
    »Frei von mir?« protestierte Zamorra und umfaßte ihr Handgelenk wie mit einer Fessel.
    »Hast du mich jemals eingesperrt?« fragte sie ernst.
    »Ich will’s nicht hoffen«, murmelte er. »Raubkatzen wie dich darf man nicht einsperren.« Er küßte ihre Stirn, und Nicole reckte sich ihm entgegen.
    »Wo hast du eigentlich den Kopfhörer her?« fragte er. »Unsere Suite ist zwar äußerst komfortabel und umfassend eingerichtet, aber das Ding gehörte nicht zur Grundausstattung.«
    »Ich habe ihn mir vom Room-Service bringen lassen«, sagte Nicole. Ihr rechter Mittelfinger zog sanfte Linien über seine Brust.
    »Hoffentlich hattest du da etwas mehr an als jetzt«, sagte er. »Vierzehntes Gebot: Führe den Zimmerkellner nicht in Versuchung.«
    »Oh, ja«, sagte sie. »Etwas mehr war es schon. Das Stirnband, glaube ich. Der Zimmerboy ist übrigens ein süßer Junge. Wurde tatsächlich puterrot.«
    Sie lachte, und Zamorra fiel in das Lachen ein. »Was soll er nur von uns denken?« sagte er. »Ein Professor und seine Sekretärin, die die teuerste Luxussuite dieses Nobelhotels mieten und dann auf Eskapaden dieser Art verfallen…«
    »Ist das schlimm?« fragte Nicole. »Ich dachte immer, Rauschgiftorgien wären schlimmer als unsere kleinen Plänkeleien.«
    »Sind sie auch«, sagte Zamorra, unvermittelt ernst werdend. Dann aber schüttelte er alle Gedanken gewaltsam ab, die in ihm aufkeimen wollten. Urlaub… draußen schien die Sonne. Daheim in Europa war Winter. Hier eigentlich auch, aber auf den Bahamas ließ es sich ertragen.
    Vor ein paar Tagen noch war es heiß hergegangen. Rund hundert Meilen nördlich der Insel Puerto Rico hatten sie es mit einem Klabautermann zu tun gehabt - genauer gesagt mit einem ganzen Volk dieser Gattung. Es lebte in der Tiefsee in einer versunkenen Blauen Stadt. Zamorra hatte den dämonenhaften Gnomen einen Vertrag aufgezwungen, der sie vorerst in der Tiefe band.
    Anschließend hatten sie beschlossen, eingedenk der verschneiten Heimat noch ein paar Tage Erholung dranzuhängen. Nicole hatte darauf bestanden, auf eine der Bahama-Inseln zu fliegen, weil es ihrer Ansicht nach nur dort jene Art verschwiegenen Strandes gäbe, wo sie sich nahtlos nachbräunen konnte. Angesichts des knappen Notgepäcks hatte Zamorra dieser Art Urlaub zugestimmt, um damit den üblichen Nicole-Duval-Einkaufsorgien zu entgehen. Nicole hatte sich an ihr Versprechen gehalten, bloß das Hotel bestimmt, und das war, wie Zamorra erst zu spät bemerkte, von der teuersten Sorte.
    Hier logierten die Superreichen und Ausgeflippten. Daß Zamorra ein ziemlich großes Schwert im Gepäck hatte, störte hier keinen. Wenigstens das war von Vorteil. Und die komfortable Luxusausstattung lud wirklich zum Erholen ein.
    Nicole erhob sich, ging zur Stereoanlage und zupfte das Kabel des Kopfhörers heraus. Jetzt dröhnten die Klänge durch die ganze Suite und begannen auch Zamorras Puls zu beschleunigen. Aber er wollte sich doch gar nicht beschleunigen lassen. Nicht jetzt. Er tastete nach der Fernsteuerung, fand sie nicht, weil Nicole sie irgendwo nebenan im Wohn raum deponiert hatte, und war gezwungen, sich zu erheben. »Ich mach das Ding zu Kleinteilen«, murmelte er und fand den Aus-Knopf.
    Nicole seufzte nicht einmal. Sie war damit beschäftigt, das Stirnband aus Schlangenleder wieder anzulegen, in dessen Mitte ein Diamant funkelte. Wie Zamorra meinte, war das als Kleidung durchaus genug. Nicole lachte ihn an. »Gehen wir nach unten? In der Hotelbar soil’s kalte Getränke geben.«
    »Du solltest dir dazu aber doch etwas anziehen«, murmelte er und fahndete nach seinem weißen Anzug. Das Hemd ließ er vorsichtshalber weit geöffnet und zog den Kragen breit; mit dem silbernen Amulett vor der Brust und dem tarnenden Bärtchen ähnelte er einem gealterten Lebenskünstler der Blumenkinder-Ära. Nicole musterte ihn kritisch, dann aber nickte sie. »Einverstanden«, sagte sie und kramte im Notköfferchen.
    Es war, soweit Zamorra sich zurückerinnern konnte, das erste Mal, daß sie nicht mit einem riesigen Arsenal an Koffern reiste. Aber der Hubschrauber-Transport hatte nicht viel mehr zugelassen als pro Person einen Seesack. Entsprechend kärglich war ihre Ausstattung.
    Nicole
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