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0250 - Der Höllensohn

0250 - Der Höllensohn

Titel: 0250 - Der Höllensohn
Autoren: Werner Kurt Giesa
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aus, die ihn geistesabwesend kraulte. Gryf spürte in sich das Verlangen, Teri zu kraulen, aber er bezwang sich. Jetzt war nicht die rechte Zeit für zärtliche Spielereien.
    »Ich habe vor ein paar tausend Jahren mehrfach versucht, körperlich in die Zukunft vorzustoßen«, begann Gryf. »Immer wieder scheiterte es, und ich bin sicher, daß sich die Gesetze der Zeit nicht innerhalb dieser kurzen Zeitspanne geändert haben. Wo also bist du wirklich gewesen, Merlin?«
    Der Zauberer von Avalon, den manche auch den König der Druiden nannten, lehnte sich zurück. Er maß Gryf und Teri mit einem nachdenklichen Blick.
    »Du glaubst, daß du alles kannst, Gryf, was möglich ist?«
    Gryf lachte leise.
    »Melin, ich weiß, was ich kann, und ich weiß, was möglich ist. Körperlich in die Zukunft zu gehen, hat niemals einer von uns weißen Magiern vollbracht !«
    »Weil es mehrere Zukünfte gibt und sich niemand für eine entscheiden konnte«, sagte Merlin. »Es war mir vorbestimmt, in diesem Moment in die Zukunft zu gleiten, um sie zu erschauen, und so tat ich es.«
    »Aber wie ist das möglich?« fragte Teri aufgeregt, sie kraulte Fenrirs Ohren und Kinn. Der Wolf schniefte behaglich.
    »Alles ist möglich. Die Linien der Zeit spalten sich stets von neuem. In einer Zukunft ist es möglich, daß du den Becher Wein leer trinkst. In einer anderen, daß du ihn verschüttest, in einer dritten, daß er gar nicht existiert. Und so weiter. So existieren die Möglichkeiten nebeneinander. Die Geschehnisse der Gegenwart stellen nun die Weichen, und in aller Regel festigt sich dann die Zukunftslinie mit der größten Wahrscheinlichkeit. In diesem Fall also die, daß du trinkst. Es kann natürlich sein, daß jemand gewaltsam eingreift. Daß Gryf dich überraschend in den Arm kneift und du deshalb den Wein verschüttest… denn gewinnt eine Linie mit geringerer Wahrscheinlichkeit Gestalt. Verstehst du?«
    »Ich verstehe«, sagte Teri nachdenklich.
    »Es gibt Menschen und Magier, die in die Zukunft sehen können. Sie sehen die Linie der größten Wahrscheinlichkeit, aber sie können sich auch irren, wenn ein anderer versucht, diese Zukunft zu ändern, die Entwicklung auf ein anderes Gleis zu lenken.«
    »Gut«, sagte Gryf und nippte wieder am Wein. »Was hat das nun aber mit deinem körperlichen Aufenthalt in der Zukunft zu tun?«
    »Wie gesagt«, sagte Merlin, »gibt es mehrere Zukünfte. Bisher war es stets so, daß bei einem Trip in die Zukunft der Reisende sich nicht imstande sah, zu entscheiden, welche dieser Linien er wählen sollte. Er hatte das gesamte, unendliche Spektrum von Möglichkeiten vor sich. Und weil eben die Auswähl unendlich groß war, war die Wahrscheinlichkeit eines Aufenthalts unendlich klein, also Null.«
    »Das hört sich an wie in einem Science-Fiction-Roman«, sagte Gryf.
    Merlin nickte.
    »Es ist für den Ungeübten auch nicht ratsam, sich willentlich für eine bestimmte der unendlich vielen Zeitlinien zu entscheiden. Noch während er dort weilt, kann die Entwicklung durch gewaltsame Veränderungen einen völlig anderen Verlauf nehmen. Dadurch wird sein Zweig abgetrennt, die Wahrscheinlichkeit, in der er sich bewegt, wird null. Sein Zweig hört auf zu existieren, und damit auch er selbst.«
    Gryf nickte. »Also ein Spiel mit dem Tod.«
    »Dennoch konnte ich es in diesem Moment risikieren«, sagte Merlin. »Denn es gibt zwei gleichstarke Wahrscheinlichkeiten, aber der Moment der Trennung liegt noch einige Tage voraus.«
    Teri horchte auf. »Zwei gleichstarke Wahrscheinlichkeiten? Geht das?«
    »Eigentlich nicht«, gestand Merlin. »Ich erlebe dies zum ersten Mal. Deshalb mußte ich wissen, was geschieht. Und ich habe beschlossen, die Entwicklung in das für uns günstigere Gleis zu lenken.«
    Er machte eine kurze Pause, sah die beiden wieder an. »Indessen sah ich die Bestrebungen der Gegenseite, das andere herbeizuführen. Und der Gegner ist sehr stark. Es wird sehr große Anstrengungen, vielleicht auch großer Opfer bedürfen. Opfer, die auch die Gegenseite zu bringen gewillt ist.«
    »Das heißt, die Entscheidung liegt noch, nicht fest?«
    Merlin schüttelte den Kopf. »Ich sagte schon: die Wahrscheinlichkeiten sind gleich groß! Mehr durfte ich nicht erforschen.«
    »Was hast du konkret gesehen?« wollte Gryf wissen.
    Merlin lächelte fein.
    »Es wäre nicht gut, es euch mitzuteilen. Laßt es mich allein tragen. So trage ich auch die Verantwortung. Es wird Überraschungen geben, auch für mich selbst, denn
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